Das Einmaleins der Schutzgebiete

Wie und warum welche Natur in Deutschland geschützt wird

Natura 2000 Gebiet
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Was darf man in einem Landschaftsschutzgebiet, was unterscheidet Nationalparke von Naturparken, wie viele Biosphärenreservate gibt es in Deutschland? Weil es bei den vielen Schutzgebiets-Kategorien hierzulande schnell unübersichtlich wird, gibt Eckart Kuhlwein, Bundesfachbereichsleiter Naturschutz, Umwelt & Sanfter Tourismus (NUST), einen Überblick.

Zurzeit gibt es in Deutschland 8.210 Landschaftsschutzgebiete mit einer Fläche von etwa 10,2 Millionen Hektar, das entspricht circa 28,4 Prozent des Bundesgebiets – oder der Fläche Bayerns und Brandenburgs.

Landschaftsschutzgebiete (LSG) sind in der Regel großflächigere Gebiete mit wenigen Nutzungseinschränkungen. Nach § 26 Bundesnaturschutzgesetz ist dort aber ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft zur Erhaltung erforderlich – wegen der besonderen Bedeutung der Landschaft explizit auch für Erholungszewcke. Explizit ausgewiesen werden sie auch zur „Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts“. Landschaftsschutzgebiete werden in der Regel durch Kreise oder kreisfreie Städte mittels Verordnung ausgewiesen. Veränderungsverbote sollen den „Charakter“ des Gebietes erhalten.

Deutschland hat 104 Naturparke. Mit einer Gesamtfläche von über 9,5 Millionen Hektar umfassen sie etwa 27 Prozent der Landesfläche. Allerdings dürfen diese 27 Prozent nicht einfach zu den vorher erwähnten 28,5 Prozent Landschaftsschutzgebieten hinzugerechnet werden. Viele Schutzgebietskategorien überlappen sich hinsichtlich ihrer Flächen: So kann etwa ein Naturschutzgebiet Teil eines Naturparks sein

Naturparke sind großräumige Gebiete, die nach § 27 Bundesnaturschutzgesetz einheitlich zu pflegen sind. Sie umfassen überwiegend Landschaftsschutz- und Naturschutzgebiete und sollen für den nachhaltigen Tourismus erschlossen werden (Erholungsfunktion). Angestrebt wird eine dauerhaft umweltgerechte Landnutzung, auch sollen sie eine nachhaltige Regionalentwicklung fördern. Weil die Bundesländer dafür
keine einheitlichen Regelungen haben, wird das vorgegebene Ziel der Pflege und Entwicklung sehr unterschiedlich verfolgt.

Deutschland verfügt über 8.481 Naturschutzgebiete mit einer Fläche von 1,3 Millionen Hektar. Das entspricht 3,6 Prozent der Gesamtfläche. NSG-Spitzenreiter unter den Flächenländern sind Brandenburg und Nordrhein-Westfalen mit jeweils 7,5 Prozent der Landesfläche.

Naturschutzgebiete (NSG) sind nach § 23 Bundesnaturschutzgesetz „rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete“, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist. Geschützt wird die Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Biotopen oder Lebensgemeinschaften, aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen, wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit. Verboten sind alle Handlungen, die zu einer Veränderung des Naturschutzgebietes oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. NSG können der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Die Ausweisung erfolgt in der Regel durch die Obersten oder Oberen Naturschutzbehörden der Länder per Erlass oder Rechtsverordnung.

In Deutschland gibt es zurzeit 4.606 FFH-Gebiete mit einer Fläche von 3,3 Millionen Hektar an Land sowie 2,1 Millionen Hektar, die unter dem Einfluss des Meeres stehen. Der FFH-Anteil an der Landesfläche beträgt 9,3 Prozent. EU-weit wurden bisher 18 Prozent der Staatsflächen derart geschützt. Spitzenreiter sind Slowenien (35 Prozent) und Bulgarien (34 Prozent). In Deutschland liegen Rheinland-Pfalz (12,9) und Mecklenburg-Vorpommern (12,4 Prozent) vorn. Bei den Vogelschutzgebieten liegt Mecklenburg-Vorpommern mit 24,5 Prozent der Landesfläche ebenfalls vorn und vor Brandenburg (22 Prozent).

Natura 2000 ist ein europäisches Schutzgebietssystem zum Erhalt oder zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt in der EU. Das Netz umfasst die besonderen Erhaltungsgebiete der FFH-Richtlinie (siehe unten) und der Vogelschutzrichtlinie, in der neben der Erhaltung auch die Wiederherstellung und Schaffung von Lebensräumen gefordert wird.

FFH-Gebiete (FFH: Fauna-Flora-Habitate) werden aufgrund einer EU-Richtlinie mit dem Ziel geschützt, wild lebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern. Welche Arten und Lebensräume geschützt werden sollen, ergibt sich aus sogenannten Anhängen zum jeweiligen FFH-Gebiet. Diesem Schutzgebietssystem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt nicht durch einzelne Habitate, sondern nur durch ein kohärentes Netz von Gebieten erreicht werden kann. Die EU-Länder müssen Brüssel alle sechs Jahre über die Durchführung der Maßnahmen unterrichten.

In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz zurzeit 16 Biosphärenreservate – vom Wattenmeer in der Nordsee über die Flusslandschaft Elbe bis zum Berchtesgadener Land – mit einer Gesamtfläche von mehr als 1,8 Millionen Hektar, doppelt so groß wie Berlin. Anerkannt als UNESCO-Weltnaturerbe sind auch fünf alte Buchenwälder. Vier davon liegen in besonders geschützten Nationalparks.

Biosphärenreservate sind von der UNESCO mit der Initiative Man and Biosphere Programme (MAB) konzipierte Modellregionen, in denen nachhaltige Entwicklung in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht stattfinden und beobachtet werden soll. Es ist ein interdisziplinäres Wissenschaftsprogramm, das die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt erforscht und den Schutz der biologischen Vielfalt mit den Bedürfnissen der Menschen auf einen Nenner bringen will. Das MAB-Programm dient auch der Umsetzung der 1992 in Rio ausgehandelten Agenda 21.

In Deutschland gibt es zwischen dem Wattenmeer, Rügen und dem Bayerischen Wald 15 Nationalparks mit einer Gesamtfläche von mehr als einer Million Hektar.

Nationalparke sind nach den Vorgaben der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) natürliche Gebiete, in denen die Unversehrtheit von Ökosystemen geschützt und auch für künftige Generationen erhalten bleiben soll, Ausbeutung verhindert und gleichzeitig eine Basis für Forschung, Schulung, Erholung und Besichtigung geboten wird, soweit dies ökologisch und kulturell vereinbar ist. Die Natur soll dort auf 75 Prozent der Fläche sich selbst überlassen bleiben – Ausnahmen sind zur Förderung besonderer Arten möglich, soweit das durch den Menschen gestörte ökologische Gleichgewicht wieder hergestellt oder erhalten bleiben soll. In Nationalparken haben die Bedürfnisse der Natur Vorrang vor denen der Menschen. Auf bis zu 25 Prozent der Fläche ist eine wirtschaftliche Nutzung erlaubt. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 24) soll es sich um großräumige, weitgehend unzerschnittene Gebiete von besonderer Eigenart handeln, die überwiegend die Voraussetzungen für Naturschutzgebiete erfüllen und einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleisten.

Eckart Kuhlwein
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 2-2014.