Die Lichtverschmutzung ist in den vergangenen 30 Jahren exorbitant gestiegen
In den 1990er-Jahren begeisterte sich eine Handvoll Schüler*innen im niederbayerischen Kelheim für die Astronomie, unter ihnen auch der Autor dieser Zeilen. Mit mobilen Fernrohren veranstalteten sie „Sternführungen“ und zeigten der Öffentlichkeit Planeten, Sternhaufen, Galaxien und Kometen. Das Interesse war so lebhaft, dass der Wunsch nach einer neuen Volkssternwarte entstand.
Sponsor*innen waren schnell überzeugt, aber welchen Standort sollte man wählen? Naheliegend wäre eine Sternwarte auf der Schule in Kelheim gewesen, wurde aber einhellig abgelehnt – schon damals war der Himmel selbst über der Kleinstadt an der Donau für die Astronomie zu hell. So entstand die „Donausternwarte“ schließlich ein paar Kilometer außerhalb, unweit des Naturfreundehauses Hammertal (N 41).
Das Problem der „Lichtverschmutzung“ beeindruckte noch vor wenigen Jahrzehnten kaum jemanden. Nur Sternenhimmel-Fans flohen für ihre Beobachtungen mehr und mehr aus den hellen Städten. Erste „Sternenparks“ gründeten sich, heute ist aus dunklem Nachthimmel ein touristisches Konzept geworden: Das Westhavelland oder die Rhön werben beispielsweise mit der Möglichkeit, des Nachts die Milchstraße zu bewundern.
Die Erforschung des Insektensterbens hat erwiesen, dass künstliches Licht für den Tod von 100 Milliarden Insekten in einem Sommer sorgt. Nachtaktive Insekten zieht es oft zum Licht.
Auch der nächtliche Vogelzug wird beeinflusst. Helle Lichtglocken über Städten verleiten Vögel dazu, teils stundenlang über ihnen zu kreisen. Zugformationen lösen sich auf oder werden gestört. Und wir Menschen könnten uns zwar mit Verdunklung helfen, halten uns aber doch zu oft nachts in zu hellem Licht auf. In der Folge wird das Hormon Melatonin zur falschen Uhrzeit und in zu geringen Mengen produziert: Das verstärkt Schlafprobleme, Depressionen, beeinträchtigt das Immunsystem und begünstigt sogar Krebs.
Dazu kommt der Energieverbrauch nächtlichen Lichts. Allein die Straßenbeleuchtung hat vor Einführung der LED-Technik circa vier Milliarden Kilowattstunden pro Jahr verbraucht. LED sind weitaus sparsamer, doch gerade deshalb wird in vielen Fällen mit ihrer Einführung noch heller beleuchtet. Dieser „Rebound-Effekt“ sorgt im Ergebnis für gleichbleibenden Stromverbrauch bei noch mehr Lichtverschmutzung. Und so hellt sich der Himmel in Mitteleuropa immer noch jedes Jahr ein paar Prozent auf. Während vor zehn Jahren am Rand von Großstädten die Milchstraße noch erkennbar war, bleibt diese Erfahrung der kommenden Generation in mitteleuropäischen Ländern wohl fast komplett versagt.
Die Lösung ist ganz simpel: ab einer gewissen Uhrzeit nicht unbedingt nötiges Licht abschalten. Doch das stößt auf technische und psychologische Schwierigkeiten: Geschäfte fürchten Nachteile, wenn der Schriftzug des Nachbarladens heller durch die Nacht funkelt als der eigene Name. Privatleute fürchten Einbrecher*innen, auch wenn es keinen objektiven Zusammenhang zwischen Kriminalität und Beleuchtung gibt. Kommunen fürchten Klagen wegen der Verkehrssicherung, wenn jemand nachts ein Hindernis auf der Straße übersieht. Und das mulmige Gefühl auf einem dunklen Weg durch ein Wäldchen ist sogar unter Sterngucker*innen verbreitet.
Für die nötige Abschaltung überflüssigen Lichts muss also ein neuer Umgang mit Dunkelheit erlernt und verhandelt werden – eine schöne Aufgabe für NaturFreund*innen. Statt uns vor der Nacht zu ängstigen, sollten wir sie respektvoll genießen: Im Traum, aber auch in geselligen Runden unter prachtvollem Sternenhimmel statt unter grellen Plastik-Lichterketten.
Der Münchner NaturFreund Dr. Benjamin Mirwald ist Leiter der Volkssternwarte München www.sternwarte-muenchen.de
Benjamin Mirwald