New Yorker Klimagipfel-Rede von Entwicklungsminister Müller war unzureichend
Zur Rede von Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller auf dem Weltklimagipfel in New York erklärt Uwe Hiksch, Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands:
Der deutsche Entwicklungsminister hat während seiner Rede auf dem Weltklimagipfel in New York eine Reihe von interessanten und sinnvollen Ansätzen aufgezeigt. Außergewöhnlich klar beschrieb er die Relevanz des Klimaschutzes in Entwicklungspolitik und internationaler Zusammenarbeit und forderte von den Staaten des globalen Nordens ein stärkeres Engagement für den Klimaschutz sowie höhere Mittel für weltweite Klimaschutzprojekte ein.
Haushaltsverhandlungen: Müllers Worten müssen jetzt auch Taten folgen
Die NaturFreunde Deutschlands erwarten von der Bundesregierung für die laufenden Haushaltsverhandlungen, dass das selbst gesteckte Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen, auch endlich erreicht wird. Allerdings wird der der vorgelegte Haushaltsentwurf der Bundesregierung diesem notwendigen Schritt zu einer solidarischeren internationalen Partnerschaft nicht gerecht. Die NaturFreunde Deutschlands ermuntern deshalb Entwicklungsminister Müller, seinen New Yorker Worten nun auch konkrete Taten in der innenpolitischen Auseinandersetzung folgen zu lassen.
Klimaschutz: Bundesregierung muss Außenhandelspolitik grundlegend verändern
Ausdrücklich unterstützen die NaturFreunde Deutschlands Müllers Standpunkt, dass „effizienter Klimaschutz eine Überlebensfrage der Menschheit“ ist und hierfür „ein Ordnungssystem mit verbindlichen ökologischen und sozialen Standards“ benötigt wird. Entsprechende Oppositionsanträge im Bundestag, die solche verbindlichen ökologischen und sozialen Standards für internationale Handelsverträge einfordern, wurden jedoch von den letzten Bundesregierungen regelmäßig abgelehnt.
Die NaturFreunde Deutschlands fordern die Bundesregierung auf, verbindliche soziale und ökologische Mindeststandards endlich als Grundlage für internationale Handelsverträge einzufordern. Die aggressive Außenhandelspolitik der Bundesregierung, die einseitig die Exportinteressen transnationaler Konzerne durchsetzt, verhindert aber die Herausbildung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung, die nachhaltigen, demokratischen und ökologischen Anforderungen gerecht wird. Diese Politik der Bundesregierung zerstört regionale Wirtschaftskreisläufe in den Ländern des globalen Südens und verhindert dabei eigenständige Entwicklungswege dieser Länder.
Die NaturFreunde Deutschlands erwarten von der Bundesregierung, dass diese verfehlte Außenwirtschaftspolitik beendet wird. Ziel einer nachhaltigen internationalen Entwicklungspolitik muss die Förderung der Entwicklung von endogenen Wirtschaftskreisläufen werden. Hierfür müssen den Staaten des globalen Südens ausdrücklich auch einseitige Handelsschranken zur Entwicklung eigener Märkte und Industrien ermöglicht werden.
Der neoliberale Kapitalismus hat zu einer Dominanz der Finanzmärkte in der weltweiten Ökonomie geführt – und in der Konsequenz zu sozialen und ökologischen Verwerfungen. Die NaturFreunde Deutschlands fordern die Bundesregierung auf, den neoliberalen Irrweg zu beenden und eine unabhängige Entwicklung der Länder des globalen Südens ausdrücklich zu unterstützen. Um eine solidarische Klimaschutzpolitik durchzusetzen, muss diese an den grundlegenden Problemen der heutigen Weltwirtschaftsordnung ansetzen. Die Außenhandelspolitik etwa muss durch eine neue Rohstoff- und Handelspolitik begleitet werden, die nicht mehr die Ausbeutung der Länder des globalen Südens für die Wertschöpfungsketten des globalen Nordens zum Ziel hat, sondern eigenständige Entwicklungen ausdrücklich unterstützt. Der massive Raubbau der natürlichen Ressourcen der Länder des globalen Südens muss beendet werden. Nur durch eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftsmodells in den reichen Industriestaaten, mit einer Transformation des Energie- und Industriesektors, ist eine wirkungsvolle internationale Klimaschutzpolitik möglich.
Entwicklungspolitik bedeutet auch ambitionierten Klimaschutz im globalen Norden
Die Aussage des Entwicklungsministers, dass sich „Klimaschutz in der Entwicklungspolitik auszahlen würde“ ist richtig. Mit der realen energiepolitischen Ausrichtung der Bundesregierung hat dies jedoch wenig zu tun. Noch immer setzt die Bundesregierung auf die Durchsetzung eines zentralisierten Energieversorgungssystems, das unter Kontrolle der großen Kohle- und Atomkonzerne bleiben soll. Die Außenhandels- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung ist zudem auf die Sicherung des freien Zuganges internationaler Rohstoffkonzerne auf entsprechende Vorkommen in den Ländern des globalen Südens angelegt.
Die positiven Entwicklungen durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG), welches dezentrale Energieerzeugungsstrukturen förderte, wurden durch die Novellierung des EEG bewusst ausgebremst. Innerhalb der EU sowie Deutschlands unterstützt die Bundesregierung den Bau von neuen Kohlekraftwerken. Importsteinkohle kommt zudem häufig aus einem ökologisch und sozial nicht zu verantwortenden Kohleabbau etwa in Kolumbien.
Der Durchsetzung von ambitionierten Klimaschutzzielen wird innerhalb der EU keine Priorität eingeräumt. Die Forderung Minister Müller, Klimaschutz in der Entwicklungspolitik mehr als bisher zu forcieren, ist deshalb nicht glaubwürdig. Klimaschutz in den Ländern des globalen Südens einzufordern, eine grundlegende Veränderung der Strukturen in den Ländern des globalen Nordens jedoch sträflich zu vernachlässigen, ist kein glaubwürdiges Konzept gegen den Klimawandel.
Klimaschutz in Deutschland verlangt Ausstieg aus der Kohleverstromung
Auch die Ankündigung von Minister Müller, dass Deutschland „bis 2020 seine Kohlendioxid-Emissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 verringern möchte“, klingt ambitioniert, ist es aber nicht. Müller verschweigt zum Beispiel, dass durch die Deindustrialisierung der neuen Bundesländer und durch die Verlagerung von kohlendioxidintensiven Produktionen in internationale Zulieferketten, ein relevanter Anteil der Verringerung der deutschen Kohlendioxid-Produktion außerhalb Deutschlands liegt. Auch mit der klimazerstörenden Kohlepolitik der Bundesregierung hat diese Ankündigung wenig zu tun. Die Bundesregierung fördert nämlich den Aufschluss von weiteren Tagebauen in der Lausitz und billigt dabei ausdrücklich den Ausbau des Klimakillers Braunkohle. Diese verfehlte Kohlepolitik gefährdet die bescheidenen Klimaschutzziele Deutschlands. Die NaturFreunde Deutschlands erwarten von der Bundesregierung, dass sie klimapolitisch endlich ambitioniert voranschreitet und einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der klimazerstörenden Kohleverstromung vorantreibt.
Ausstieg aus der Atomenergie erfordert Beendigung von EURATOM
Auch die Ausführungen des Ministers zum Thema Atomkraft sind wenig ambitioniert. Selbst wenn die Bundesregierung den immer noch viel zu langsamen Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Jahr 2022 momentan nicht infrage stellt, wird durch die Behinderung des schnellen Ausbaus von regenerativen Energieerzeugungsanlagen eine dezentrale, ökologische und demokratische Energieversorgungsstruktur bewusst verhindert. Die NaturFreunde Deutschlands erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Atomanlagen in Deutschland unverzüglich abschaltet und dabei auch Brennelementefabriken und dabei auch Urananreicherungsanlagen ausdrücklich mit einbezieht. Die Kündigung des EURATOM-Vertrages auf EU-Ebene ist eine Voraussetzung dafür, dass das Bekenntnis zur Beendigung von Atomkraft in Deutschland real umgesetzt wird.
Keine Förderung von Kohlekraftwerksausbauten durch Exportkredite
Ausdrücklich unterstützen die NaturFreunde Deutschlands die Ankündigung des Ministers, dass die Bundesregierung keine weiteren Finanzierungen für den Neubau von Kohlekraftwerken im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen wird. Die NaturFreunde Deutschlands erwarten jedoch, dass auch Modernisierungen von Altanlagen nicht mehr durch Hermesbürgschaften abgesichert werden dürfen. Diese Altanlagen sind selbst nach einer Modernisierung Klimakiller und verhindern den schnellen Umstieg auf dezentrale regenerative Energiequellen. Mit staatlichen Mitteln wird so die Energiewende in den betroffenen Ländern verlangsamt und eine zentralistische, klimazerstörende Energiepolitik für Jahrzehnte zementiert.
Die NaturFreunde Deutschlands fordern von der Bundesregierung, in der Außenwirtschaftspolitik zukünftig öffentliche Gelder nur noch für die Förderung einer ökologischen und sozialen Energiewende einzusetzen. Nur wenn Deutschland eine Vorreiterrolle für eine ökologische, demokratische und soziale Energieerzeugung übernimmt, kann es auf internationalen Konferenzen glaubwürdig agieren.
Wälder: illegalen Holzeinschlag verhindern – Yasuní-Nationalpark retten
Die von Minister Müller zugesagte Unterstützung der Bundesregierung für den Erhalt von Wäldern ist wichtig und richtig. Gleichzeitig jedoch verweigert sich die Bundesregierung einem konsequenten Schutz der Wälder durch ein Verbot des Handels mit Holz aus illegalem Holzeinschlag. Der illegale Holzeinschlag ist mitverantwortlich für die dramatische weltweite Zerstörung der Wälder. Er verursacht gewaltige Umweltschäden und zerstört die Biodiversität. UN-Angaben zufolge werden jedes Jahr 350 bis 650 Millionen Kubikmeter Holz aus illegalem Holzeinschlag in den internationalen Handel gebracht.
Die NaturFreunde Deutschlands fordern von der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine klare Verordnung einzusetzen, die den Import von Holz aus illegalem Einschlag ächtet und verbietet. Nur wenn es gelingt, Holz aus illegalem Holzeinschlag völlig aus dem Handel zu verbannen, können die katastrophalen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen für die betroffenen Regionen der Erde beendet werden.
Gleichzeitig erwarten die NaturFreunde Deutschlands von Minister Müller, dass er sich für die Erhaltung des Yasuni-Nationalparks und für eine Revitalisierung der ITT-Initiative einsetzt und damit die Zusagen des 16. Bundestages endlich einlöst. Die ITT-Initiative ist eine gute Grundlage, den natürlichen Reichtum zu erhalten und gleichzeitig eine gute Entwicklung in einer armen Region zu ermöglichen. Die „Dschungel statt Öl“-Initiative ist ein wichtiger Beitrag für eine nachhaltige und zukunftsfähige internationale Entwicklungs- und Klimaschutzpolitik.
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