Strategien gegen antidemokratische Kräfte im ländlichen Raum
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In der rechtsextremen Ideologie spielt der ländliche Raum eine große Rolle. Er ist Rückzugsort, Zuflucht, Heimat und „Keimzelle des Volkes“ – also durch und durch ein Sehnsuchtsort. Auf ihn projizieren extrem rechte Akteur*innen ihre Träume von einer besseren Welt. Dabei wird der ländliche Raum als „heiles“ Gegenstück zur modernen, globalisierten, pluralistischen Gesellschaft in der Großstadt inszeniert. Das einfache Leben auf dem Land und die damit verbundene vermeintliche Nähe zur Natur werden romantisiert und ideologisch aufgeladen. Die Verbundenheit des „Volkes“ mit seinem „Boden“ ist für völkische Rechtsextreme zentral. Kein Wunder also, dass demokratische Akteur*innen im ländlichen Raum, Bewohner*innen von Ökodörfern, solidarische Anbaugemeinschaften, (ökologisch-)landwirtschaftliche Betriebe und Mitarbeiter*innen des Natur- und Umweltschutzes immer wieder mit extrem rechten Gruppierungen und Ideologien konfrontiert sind.
Die FARN-Fachtagung 2021 rückt den ländlichen Raum in den Fokus und bringt Menschen zusammen, die hier leben, arbeiten und sich gegen rechte Landnahme zur Wehr setzen wollen oder dies bereits tun.
Referent*innen
Andrea Röpke (Politologin und freie Journalistin, Spezialgebiet Rechtsextremismus), Wilfried Manneke (Pfarrer, Gründungsmitglied des Netzwerks Südheide gegen Rechtsextremismus), Larissa Deppisch (Thünen Institut für ländliche Räume), Uwe Puschner (Historiker, forscht seit drei Jahrzehnten über völkische Bewegung und Weltanschauung), Julia Bar-Tal (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V.), Hans-Werner Frohn (Historiker und wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Naturschutzgeschichte in Königswinter)
Programm
9:00–9:30 Uhr Begrüßung durch Uwe Hiksch (Bundesvorstand NaturFreunde Deutschlands) und Lukas Nicolaisen (Fachstellenleitung FARN)
9:30–10:45 Uhr Andrea Röpke (Journalistin und Politologin)
Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos
Seit Jahren siedeln sich junge Rechtsextreme bewusst in ländlichen Regionen an, um dort generationsübergreifend „nationale Graswurzelarbeit“ zu betreiben. Dieser unauffällige Aktionismus ist gegen die moderne und liberale Gesellschaft der Großstädte gerichtet, es herrschen alte Geschlechterbilder und autoritäre Erziehungsmuster vor. Die Aussteiger*innen von rechts betreiben ökologische Landwirtschaft, pflegen altes Handwerk und nationales Brauchtum, organisieren Landkaufgruppen und eigene Wirtschaftsnetzwerke, die bundesweit agieren. Sie bringen sich in örtlichen Vereinen ein und gehen in die lokale Politik, um Umweltschutz mit „Volksschutz“ zu verbinden und eine angebliche „Überfremdung“ zu verhindern.
11:00–12:30 Uhr Workshop-Phase I
Wilfried Manneke (Theologe, Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus)
Guter Hirte, braune Wölfe – Rechtsextremismus ist Gift für unser Land
Die heutigen Nazis machen trotz ihrer Kenntnisse der furchtbaren NS-Geschichte, kein Geheimnis aus ihrer Begeisterung für den Nationalsozialismus. Besonders in der Südheide sind sie sehr aktiv. Wilfried Manneke möchte mit seinem Vortrag auf die Gefahren hinweisen, die vom Rechtsextremismus ausgehen: „Rechtsextreme treten mit Füßen, was für uns einen hohen Wert hat: Die Unverletzbarkeit der Menschenwürde, die Garantie der Menschenrechte, die Gleichberechtigung aller Menschen, ihre Gleichstellung und Gleichbehandlung.“
Larissa Deppisch (Thünen Institut für ländliche Räume)
„Wo sich Menschen auf dem Land abgehängt fühlen, hat der Populismus freie Bahn“
Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag stellten sich Politik, Medien und Wissenschaft die Frage, wie dieser rechtspopulistische Wahlerfolg zu erklären sei. Neben ökonomischen und kulturellen Erklärungsansätzen wurden insbesondere ‚Gefühle des Abgehängtseins‘ in ländlichen Räumen angeführt. Der Beitrag geht der Frage nach, was unter jenem ‚Abgehängtsein‘ verstanden wird, inwiefern die AfD tatsächlich in ländlichen Räumen erfolgreich ist und was das Verhältnis der Bevölkerung ländlicher Räume mit hohem AfD-Zuspruch zur Politik kennzeichnet.
Uwe Puschner (Historiker, Professor am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin)
Völkisch: Bewegung, Weltanschauung, Traditionen
Das Adjektiv völkisch ist seit einigen Jahren wieder populär. Dabei ist seine Verwendung in medialer Berichterstattung und in gesellschaftspolitischen Debatten diffus. Was soll mit völkisch beschrieben werden? Aufklärung ist nötig, denn völkisch ist weitaus mehr, als bloß das Adjektiv zum Substantiv Volk. Völkisch ist eine genuine Weltanschauungsvokabel. Seine Karriere reicht ins ausgehende 19. und frühe 20. Jahrhundert zurück, als völkisch zum ideologischen Kampfbegriff avancierte und zum Signet einer komplexen rassistischen Weltanschauung und verästelten Bewegung wurde, die nicht zuletzt dem Nationalsozialismus den nicht nur ideologischen Boden bereitet haben und nachfolgend den Rechtsextremismus im deutschen Sprachraum.
12:30–14:00 Uhr Mittagspause
14:00–15:30 Uhr Workshop-Phase II
Julia Bar-Tal (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V.)
„Fehlende Antennen“ und struktureller Rassismus in kolonialer Fortsetzung
Warum es nicht reicht, nur zu üben wie die richtigen Nazis erkannt werden, sondern warum es auch die Erkenntnis über die koloniale Fortsetzung und strukturellen Rassismus in jedem Aspekt unserer Gesellschaft – also eben auch in unseren landwirtschaftlichen, ökologischen und klima-aktiven Szenen – geben muss, wollen wir in diesem Workshop besprechen. Wir wollen nicht nur drauf schauen auf die „Anderen“, sondern verstehen, wo es auch eigene Strukturen sind, die dafür sorgen, dass von Rassismus betroffene Menschen wenig zu sehen sind in unseren Organisationen, unseren Netzwerken, auf unseren Höfen oder in bestimmenden Rollen im ländlichen Raum.
Hans-Werner Frohn (Historiker, Stiftung Naturschutzgeschichte in Königswinter)
„Heimat-Argumente im, für oder gegen den Naturschutz? Chancen, Potenziale, Risiken“
Naturschutz versteht sich immer mehr als eine gesellschaftliche Vereinbarung. Kulturelle und soziale Argumente gehören heute mit zum Portfolio des Naturschutzes. Um Heimat finden in Politik, Gesellschaft, aber auch im Naturschutz selbst, Kämpfe um die Deutungshoheit statt. Das Heimatargument beherrscht im Naturschutz u. a. auch Debatten um Großschutzgebiete, Sukzession, Energielandschaften etc., aber auch zu Neobiota. Es ist also Zeit, sich wieder mit dem Kontext von Heimat und Naturschutz auseinanderzusetzen.
Patrick Irmer (FARN)
Isegrim und die Migration. Angst, Emotionen und die Debatte um das Fremde und das Eigene.
1998 wurde erstmals ein Wolfspaar in der Muskauer Heide gesehen. Seitdem diskutiert eine breite Öffentlichkeit über den Nutzen aber auch die Gefahren; die Isegrim für die Bevölkerung mit sich bringt. Der Sommer 2015 sollte als "Migrationskrise" Europas in die Geschichte eingehen. In der Folge wurden weitreichende Verschärfungen im deutschen Asylrecht beschlossen. Doch wie stehen diese beiden Ereignisse miteinander in Beziehung? Der Workshop betrachtet Funktion und Wirkung einer Politik der Angst, nimmt Akteur*innen und Verantwortliche in den Blick und versucht Handlungsstrategien für den ländlichen Raum zu erarbeiten.
15:45–16:00 Uhr Schlussplenum
Die Teilnahme ist kostenlos. Wir freuen uns über eine Spende für die Arbeit unserer Fachstelle.
FARN – Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz
c/o NaturFreunde Deutschlands
Warschauer Str. 58a/59a
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Silke Dehm
seminare@nf-farn.de
(030) 29 77 32 -68