Zu Besuch in Unterfranken
Wer hätte gedacht, dass die Energiezufuhr bei der Zementherstellung zu 85 % aus Recycling-Material bestehen kann? Und wer wusste, dass unsere Joghurt-Becher und der ganze sonstige Grüne-Punkt-Plastikkram nicht nur zu Parkbänken verarbeitet wird (was ich mir übrigens sowieso nie vorstellen konnte), sondern dass die Industrie in den letzten Jahrzehnten Möglichkeiten gefunden hat, die Abfälle alternativ zu Kohle, Öl und Gas in die Energiegewinnung einzuführen?
All das durften Natur Freunde aus Egelsbach, Frankfurt, Würzburg und Schwebheim lernen, als sie zusammen mit dem Generalsekretär der Togoer NaturFreunde (ja, so international ging es zu!) das Zementwerk der HeidelbergZement AG in Lengfurt in der Nähe von Würzburg besichtigten.
Zement braucht im Herstellungsprozess eine Brenntemperatur von 1.400 Grad, und diese entsteht in Lengfurt nur zu 15 % durch die Zugabe von Kohle. Alle anderen Energiequellen sind Reycling-Material: zu gut brennbaren kleinen Teilen aufbereiteter Plastikschrott, Altöl, Autoreifen, Tiermehl und Klärschlamm. In jeder Stunde werden 10 (!) Tonnen Plastikflocken, welche von der Grüne-Punkt-Industrie im Umkreis von 250 km angeliefert werden, verbrannt, und das ist nicht nur im Sinne des von der Umweltbewegung vor 20—30 Jahren hart erkämpften Recycling-Gedankens, sondern auch noch kostengünstiger und durchaus umweltverträglich.
Die beiden Egelsbacher NaturFreunde Annkatrin Hoeck und Bernfried Kleinsorge haben auf einer Reise der NaturFreunde International nach Togo den Generalsekretär der dortigen NaturFreunde Organisation CASE Togo , Pablo Agbogan, kennengelernt. Case Togo arbeitet sehr engagiert und aktiv u. a. durch große Pflanzaktionen und Umwelterziehung an Schulen für den Schutz der Umwelt. Ein großes, ungelöstes Problem dabei ist die nicht vorhandene Müllentsorgung bzw. lediglich offene Mülldeponierung .
Pablos anspruchsvolles Reiseprogramm startete in Deutschland mit der Teilnahme am Treffen des Afrikanetzwerks in Dresden und ein paar Tagen bei den Dresdner Naturfreunden, ging dann weiter mit dem Kongress der Naturfreunde International in Olomouc (Olmütz/Tschechische Republik), einem fünftägigen Besuch bei Annkatrin und Bernfried in Egelsbach und einer letzten Station bei den NaturFreunden in Ulm.
Pablo hatte das besondere Interesse an einem Kontakt zur HeidelbergZement AG, denn dieses Unternehmen betreibt auch eine Anlage in Togo. Bernfried Kleinsorge stellte nach seiner Rückkehr aus Togo den Kontakt zur Heidelberg Zement AG her, um die Pläne des Unternehmens in Bezug auf diese Anlage in Erfahrung und mögliche Entscheidungsprozesse im Unternehmen dahingehend voran zu bringen. Bernfried und Pablo stellen sich vor, zusammen mit der Unternehmensleitung das ungelöste Müllproblem im Land entschärfen zu können. HeidelbergZement hat in Togo vor kurzem eine komplett neue Anlage zur Klinkerproduktion gebaut und in Betrieb genommen, die ohne Zweifel entsprechend ausgerüstet werden könnte. Allerdings ist die togolesische Regierung gefordert, eine Infrastruktur für das Einsammeln und Sortieren des Mülls zu schaffen, weil der Müll nicht unsortiert verbrannt werden kann.
Durch Bernfrieds Bemühungen, Pablo hier vor Ort eine entsprechende Anlage zeigen zu können, erhielten wir die Einladung, das Werk in Lengfurt zu besichtigen. Das Interesse am Lengfurter Recycling-System war auf allen Seiten groß, und Pablo hat genügend fundierte Informationen bekommen, um in Togo auf sicherer Grundlage besser mit den Verantwortlichen im Unternehmen und der Regierung verhandeln zu können. Er hat keinen Zweifel, dass mit den reichlich vorhandenen Altreifen ebenso wie mit Altöl begonnen werden könnte, das aktuell verwendete Öl für den Zementofen zumindest zum Teil zu ersetzen.
Auf den Spuren des Fürstbischofs
Nach der Betriebsbesichtigung ging es dann weiter nach Würzburg, wo der Würzburger NaturFreund Walter Feineis uns die Festung Marienberg zeigte und sachkundig und anschaulich über die Regierungszeit der Fürstbischöfe berichtete. Wir bestaunten die dicken Mauern, die sich in mehreren Ringen um das Schloss ziehen und stellten fest, dass die Fürstbischöfe nicht nur Angst vor anrückenden Feinden, sondern auch vor den eigenen Untertanen hatten.
Den Blick von oben auf das Maintal, die Stadt und die Weinberge genießend, ging es hinunter zur alten Mainbrücke, am Dom vorbei, zur Residenz, wo wir einer Führung durch das berühmte Treppenhaus mit Deckengemälde und die repräsentativen Gemächer des ehemaligen Schlosses folgen konnten.
Soso, die Würde des „Fürstbischofs“, der sowohl über weltliche als auch über geistliche Macht verfügte, wurde also von Barbarossa verliehen, und zwar als Gegenleistung und Dank dafür, dass ihn der damalige Bischof ohne Skrupel zum zweiten Mal verheiratete, und zwar an ein dreizehnjähriges Mädchen – so war es also schon vor tausend Jahren: Eine Hand wäscht die andere!
Den Abschluss bildete ein Abendessen auf einem Würzburger Weinfest – insgesamt ein schöner und informationsreicher Tag, und das bei wahrhaft fürstbischöflichem Wetter!
Wir bedanken uns herzlich bei den Organisatioren Bernfried Kleinsorge (NaturFreude Egelsbach/Erzhausen), Jürgen B. Schrader und Walter Feineis von den NaturFreunden Würzburg für den gelungenen Tag!
Marianne Friemelt (NF Frankfurt) und Bernfried Kleinsorge (NF Egelsbach)