Am 22. April 2016 wird unter dem Dach der Vereinten Nationen in New York der Pariser Vertrag zum Klimaschutz unterzeichnet. Er soll das auslaufende Kyoto-Protokoll ablösen. Und er soll dann für eine längere Zeit die internationale Klimapolitik prägen. Doch mehr als 20 Jahren internationaler Klimadiplomatie waren vor allem Jahre der Enttäuschung und des Versagens. Die bisherigen Erfahrungen belegen schmerzhaft: Es ist auf jeden Fall notwendig, genauer hinzugucken.
Wir haben die Bilder von Paris noch vor Augen: Eine sichtlich bewegte Umweltministerin Barbara Hendriks, ein resolut-geschickter französischer Außemminister Laurent Fabius und ein enthusiastisch klatschender Al Gore. Frankreichs Staatspräsident sprach sogar von einer Revolution und einem historischen Wendepunkt. Für nicht wenige Kommentatoren bedeutete Paris das Ende des fossilen Zeitalters.
Das Abkommen von Paris hat 32 Seiten. 20 Seiten umfasst der erste Teil, draft decision genannt, die im Rahmen der Klimarahmenkonvention, die 1992 auf dem UN-Erdgipfel in Rio de Janeiro beschlossen wurde, angesiedelt ist. 12 Seiten hat dann der zweite Teil, das Paris Agreement, das nunmehr von den beteiligten 195 Staaten und der EU unterzeichnet werden muss. Natürlich ist es ein Erfolg, dass die internationalen Klimaverhandlungen wieder in Gang gekommen sind und die letzte Möglichkeit genutzt wurde, den Kyoto-Prozess auf neuen Gleisen fortzusetzen, und das auch noch von allen Staaten, die die Klimarahmenkonvention unterzeichnet haben.
UN-Klimaverhandlungen funktionieren nach dem Prinzip Hoffnung
Gültig wird das Vertragswerk jedoch erst, wenn mindestens 55 Staaten, deren Emissionen wenigstens 55 Prozent der globalen Treibhausgase ausmachen, das Abkommen ratifiziert haben. Und das war beim Kyoto-Vertrag schon ein stetiges Abrücken von harten Zielen. Nick Reimer hat in seinem Buch über die Klimadiplomatie die Strategien der Blockierer, die Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen und die Verdrängung wissenschaftlicher Fakten eindrucksvoll beschrieben. Die UN-Klimaverhandlungen reduzierten sich in den letzten zwanzig Jahren auf das Prinzip Hoffnung, dass die nächste Konferenz besser wird.
Tatsächlich jedoch haben sich die Treibhausgasemissionen seit Rio 1992 nahezu verdoppelt. Das lag natürlich in erster Linie an den großen Blockierern wie den USA, China, Indien und den arabischen Öl-Staaten. Besonders die USA haben dabei eine doppelbödige Strategie verfolgt.
Möglicherweise war das Pariser Abkommen das, was unter den heutigen Bedingungen einer schwierigen internationalen Klimadiplomatie, die von einer deprimierenden Abwärtsspirale gekennzeichnet ist, überhaupt rauszuholen war. Aber das Mögliche muss längst nicht das Notwendige sein. Vier Beispiele:
- Der Hauptenergieträger und stärkste CO2-Emittent ist weltweit das Öl. In keinem Bereich ist die „alte fossile Welt“ so ungebrochen wie bei der motorisierten Mobilität und damit beim schwarzen Gold. Die Zuwachsraten der Autos wachsen und wachsen und auch in unserem Land haben die spritfressenden SUV die höchsten Zuwachsraten – 2014 ein Plus von mehr als 43 Prozent. Doch auch der Pariser Vertrag vermeidet eine klare Aussage zur Dekarbonisierung und auch zum Ende der Öl-Zeit.
- Der Pariser Vertrag baut auf der Umsetzung der von den beteiligten Ländern vorgelegten Selbstverpflichtungen auf, die allerdings das groß herausgestellte Ziel einer Begrenzung der Erwärmung unter zwei Grad deutlich verfehlen, wobei vor allem von Entwicklungsländern zu Recht 1,5 Grad gemeint ist. Sanktionen sind nicht vorgesehen, lediglich eine einige Jahre nach Vertragsabschluss vorgesehene Überprüfung. Die Selbstverpflichtungen liegen mit rund 2,7 Grad fast doppelt so hoch wie notwendig. Und das nur mit einer Wahrscheinlichkeit unter 60 Prozent, was unüblich und fragwürdig ist. Zudem ist es eine traurige Erfahrung, dass Selbstverpflichtungen oftmals nicht eingehalten werden.
- Mit dem Begriff der Klimaneutralität lässt der Vertrag ein Hintertürchen offen. Was ist gemeint? Eine Renaissance der Atomenergie? Die Legitimierung der umstrittenen Abscheidetechnik CCS? Oder der Einsatz der unterschiedlichsten Formen eines Geo-Engineering in Atmosphäre oder Ozeanen?
- Besonders problematisch sind die vagen Finanz- und Verfahrensregeln. Hier zeigt sich: Die großen Ankündigungen sind nur unzureichend unterlegt. So bleibt unklar, wie die Überprüfung der angekündigten Emissionsreduktionen aussehen soll. Ebenso vage sind die Einbeziehung der großen Schwellenländer in das internationale Klimaregime und die Finanzhilfen zur Anpassung an den Klimawandel für die Dritte Welt.
Insofern sind Zweifel angebracht, wenn es über den Pariser Vertrag heißt: historischer Durchbruch. Richtig ist, dass die Zeit knapp wird und die Anstrengungen sehr hoch sind, die globale Klimakatastrophe abzuwenden. Und das in nur kurzer Zeit. Während der Pariser Konferenz wurde die 1-Grad-Grenze der globalen Erwärmung erreicht. Da sind die Treibhausgasemissionen der letzten rund 40 Jahre noch nicht drin, die erst im troposphärischen Anpassungsprozess sind. Kurz: Die Hebel der fossilen Selbstverbrennung muss sofort umgelegt werden.
Politik und die Wirtschaft halten fossilen Ausstieg für völlig unrealistisch
Für Deutschland bedeutet das: Wir müssen bis etwa zum Jahr 2025 aus den fossilen Brennstoffen ausgestiegen sein. Keine Frage, dass die Politik und die Wirtschaft das für völlig unrealistisch ansehen. Doch der Klimawandel und die Gesetze der Natur nehmen darauf keine Rücksicht. Der Prozess läuft ab und wenn es nicht zu einer Wende kommt, sind die Folgen nicht mehr zu verhindern, selbst wenn dann alles getan würde den Prozess zu verlangsamen, etwa. durch gigantische Aufforstungsprogramme.
Um das vor allem von den pazifischen Inselstaaten, bei denen es um ihre Existenz geht, geforderte 1,5 Grad-Celsius Ziel zu erreichen, dürfen durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle nur noch rund 280 Gigatonnen emittiert werden. Im Jahr 2014 wurden allein durch die fossilen Brennstoffe 32 Gigatonnen freigesetzt. Und das muss vor dem Hintergrund der nachholenden Industrialisierung der Welt, dem anhaltenden Bevölkerungswachstum und der großen sozialen Ungleichheit gesehen werden.
Das alles heißt: Seit Beginn der internationalen Klimadiplomatie wurde viel Zeit verspielt, der Widerspruch zwischen Wissen und Handeln ist unverantwortlich groß geworden. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat keinen Grund, sich als vorbildlich hinzustellen. Die Treibhausgasemissionen sind auch hier viel zu hoch, nicht verantwortbar für eine friedliche Welt.
Jetzt kommt es darauf an, was die Bundesregierung machen will, ihren eigenen Zielen gerecht zu werden. Nichtstun oder ein unzureichendes Handeln dürfen wir ihnen nicht durchlassen.
Michael Müller
Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands