Die Faszination der Berge ist ungebrochen. Tatsächlich kann man seit Jahren von einem regelrechten Bergsport-Boom sprechen, der sich während der Corona-Pandemie nochmals verstärkt hat. Und auch dieser Winter wird wieder unzählige Outdoorsportler*innen in die Berge bringen, ob nun auf Alpin-, Langlauf- oder Tourenski, auf dem Snowboard, auf Schneeschuhen, beim Eisklettern oder Winterbergsteigen. Sie alle unterliegen einem gewissen Lawinenrisiko, ob sie das nun wissen oder nicht. Bereits kleine Lawinen können Menschen schwer verletzen und verschütten. In der letzten Wintersaison gab es allein in Österreich 14 Lawinentote, im langjährigen Mittel sind es sogar 21 Personen. Glücklicherweise können viele Verschüttete noch rechtzeitig befreit werden.
Einen Lawinenabgang räumlich und zeitlich genau vorherzusagen, ist trotz langjähriger Lawinenforschung unmöglich. Stattdessen lässt sich nur abschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Auslösung und deren Konsequenzen sind. Deshalb zielen Strategien und Instrumente in der Lawinenkunde darauf ab, Risiken und Unsicherheiten sichtbar zu machen und die individuelle Eigenverantwortung durch kompetenzorientierte und individuelle, freiheitsbewusste Entscheidungen zu stärken. Und das kann man lernen, zum Beispiel bei den NaturFreunde-Lawinenlehrgängen (siehe Kasten). Folgende Lawinenarten werden unterschieden:
Schneebrettlawinen, die gefährlichste Lawinenart für Schneesportler*innen: Sie entstehen durch einen Bruch in einer Schwachschicht, die meist aus weichem, grobkörnigen Schnee mit einem geringen Zusammenhalt besteht. Man muss wissen: Unterschiedliche Wettereinflüsse führen zu unterschiedlichen Schneeschichten. Wenn die Schwachschicht von einem Schneebrett mit gebundenem Schnee überlagert wird, kann sich der Bruch innerhalb der Schwachschicht ausbreiten und eine ganze Schneetafel lösen. Ist der Hang dann auch noch genügend steil, gleitet die Schneetafel als Schneebrettlawine ab.
Der zweitägige Lawinen-Grundlehrgang bildet den Einstieg in die Lawinenausbildung und ist für alle geeignet, die bisher keine spezielle Lawinenkunde absolviert haben, aber trotzdem im winterlichen Gebirge unterwegs sein möchten, sei es beim Schneeschuhwandern, Skifahren oder Wasserfallklettern.
Lawinenlehrgänge für alle Interessierten
10.–12.12.2021 [B277F] oder 7.–9.1.2022 [B261F]
Lockerschneelawinen lösen sich häufig in einem Gelände, das steiler ist als 40 Grad. Im Vergleich zur Schneebrettlawine sind sie langsam und bilden sich vor allem aus ungebundenem Neuschnee oder Nassschnee. Gleitschneelawinen werden aufgrund des Reibungsverlusts auf einer wassergesättigten Schicht zwischen Schneedeckenbasis und Boden ausgelöst.
Gleitschneelawinen können zu jeder Tages- und Nachtzeit abgehen. Auch ohne Lawinenausbildung kann man sich merken: Neuschnee und Regen führen immer zu einem Anstieg der Lawinengefahr; der erste schöne Tag nach einem Schneefall gilt als besonders unfallträchtig; in Schattenhängen konserviert sich häufig die Lawinengefahr; schnelle Erwärmung und/oder starke Sonneneinstrahlung erhöhen die Lawinengefahr. Um die Wahrscheinlichkeit von Lawinen abzuschätzen, befasst sich die moderne Lawinenkunde mit
- Informationen zur Lawinenlage, zum Wetter, dem Gelände sowie den Teilnehmer*innen;
- dem Wissen und der Erfahrung zum Beurteilen der Lawinengefahr, zum Einschätzen des Lawinenrisikos und zu einem der Situation angepassten Verhalten am Einzelhang;
- der Notfallausrüstung, um die Überlebenschancen im Ernstfall zu erhöhen.
In den ersten 10 bis 15 Minuten einer Totalverschüttung liegt die Wahrscheinlichkeit, einen Menschen lebend zu bergen, noch bei über 80 Prozent. Danach sinkt sie rapide. In diesem ersten Zeitfenster muss deshalb alles darangesetzt werden, Ganzverschüttete zu befreien. Eine reelle Überlebenschance gibt es nur bei kompletter Notfallausrüstung mit funktionsfähigem Lawinenverschüttetensuchgerät, Lawinenschaufel und Lawinensonde. Deren Einsatz muss unbedingt vorher trainiert werden. Für Schnee- und Bergsportler*innen, die im Winter in den Bergen abseits von Pisten und gesicherten Wegen unterwegs sind, ist es also sehr wichtig, dass sie richtig in die Lawinenkunde eingewiesen werden. Eine Ausbildung zahlt sich immer aus. Die Lehrteams der NaturFreunde sowie entsprechend ausgebildete NaturFreunde-Trainer*innen sind befähigt, in die Lawinen- kunde einzuweisen.
Josef Hümmer
Mitglied Bundeslehrteam Bergsport