Eine kritische Aufarbeitung von Erich Ihl, NaturFreunde Mainz
Im Rhein-Main-Gebiet, das sich über die Großstädte Offenbach, Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Mainz und mehrere Hundert Kleinstädte und Gemeinden erstreckt, wohnen mehr als 2,5 Millionen Menschen. Mitten in dieser dicht besiedelten Region befindet sich der zweitgrößte Flughafen Europas.
Und hier beginnt nun eine unendlich traurige Geschichte. Bis zum Jahr 1979 war der Frankfurter Flughafen – er hieß damals noch Rhein-Main-Flughafen – ein mehr oder weniger bedeutender Regionalflugplatz. Für die in den umliegenden Gemeinden wohnenden Menschen war der Fluglärm eine erhebliche Belästigung. Er wurde aber hingenommen.
Dann jedoch setzte die Großmannssucht der hessischen Landesregierung, die Hauptaktionär des Flughafens ist, ein. Sie wollte ihn zu einem internationalen Drehkreuz ausbauen. Hierzu benötigte man zu den beiden vorhandenen Start- und Landebahnen eine dritte Startbahn, außerdem sollten die vorhandenen Bahnen verlängert werden.
Für das Vorhaben waren riesige Flächen erforderlich, darunter mehr als 200 Hektar Wald, der sich überwiegend im Eigentum der umliegenden Gemeinden befanden. Viele Tausend Bäume – Eichen und Buchen, teils mehrere Hundert Jahre alt – sollten gefällt werden.
In der gesamten Umgebung gründeten sich Bürgerinitiativen, die sich gegen einen solchen, im gesamten Rhein-Main-Gebiet noch nicht dagewesenen Eingriff in die Natur zur Wehr setzten. Es kam zu Demonstrationen, an denen sich bis zu 20.000 Menschen beteiligten. Mit brutaler Polizeigewalt ließ die hessische Landesregierung besetzte Waldgebiete und ein von Ausbaugegnern errichtetes Hüttendorf räumen.
Die Demonstranten wurden von den herrschenden Politikern als Asoziale und von der DDR finanzierte Kriminelle bezeichnet. Der Hessische Ministerpräsident Holger Börner (SPD) meinte, solche Auseinandersetzungen habe man früher mit der Dachlatte erledigt. Ein Bürgerbegehren mit 220.000 notariell beglaubigten Unterschriften wurde mit fadenscheinigen Gründen vom Tisch gewischt.
Es kam, wie es kommen mußte. Im April 1984 wurde die neue Startbahn in Betrieb genommen. Vor allem mit dem Totschlagargument „Arbeitsplätze“ hatte man dieses Wahnsinnsprojekt durchgesetzt. Der nunmehrige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erklärte danach, es werde kein weiterer Baum mehr gefällt für eine Erweiterung des Flughafens. Weite Teile des Waldes rund um den Flughafen wurden zum „Bannwald“ erklärt – jeglicher Eingriff war damit verboten.
Das interessierte die Luftfahrtindustrie aber nicht. Sie, allen voran die Lufthansa, wollte mehr. Sie wollte, dass der Flughafen größer, noch internationaler wird. Dazu brauchte der Rhein-Main-Flughafen auch einen neuen Namen. Der Bisherige war zu bieder, zu regional. Weltläufigkeit war gefragt. „Fraport“ war der neue Name. Das war zündend, vor allem klang es englisch.
Lufthansa-Chef Weber forderte jetzt eine weitere Start- und Landebahn, diese Forderung kam der neuen Fraportführung natürlich recht. Die tatsächliche Entwicklung des Flughafens rechtfertigte eine solche Forderung zwar nicht. Sowohl die Zahl der Passagiere wie die der Flugbewegungen blieben weitgehend konstant. Das interessierte Politik und Wirtschaft aber nicht. Man wollte schließlich nicht zurückstehen hinter anderen Airports wie London, Amsterdam oder Paris.
1998 kam es innerhalb der hessischen Parteien zu heftigen Diskussionen. Der Widerstand der Ausbaugegner formierte sich erneut. Sie forderten einen sofortigen Stopp aller Ausbaupläne und ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Über Jahre hin fanden unendlich viele Protestveranstaltungen statt. Zahlreiche Klagen gegen einen Ausbau wurden eingereicht.
Doch das Engagement Hunderttausender Menschen nutzte nichts. Alle Klagen vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof, dem eine enge Nähe zur Landesregierung nachgesagt wird, wurden abgewiesen. Weit über Hunderttausend Einwendungen fanden keine Berücksichtigung.
2007 beschloß der hessische Landtag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP den Bau einer vierten Start- und Landebahn. Einziges Entgegenkommen für die Anwohner war ein bescheidenes Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr. Für die Flughafenerweiterung mussten insgesamt 282 Hektar Wald gerodet werden, davon sehr viel wertvoller Bannwald, der den gleichen Schutzstatus wie ein Naturschutzgebiet hat.
Monatelang zogen Tausende besorgte Bürger in den bedrohten Wald, um zu demonstrieren. Waldcamps wurden errichtet. Und wieder ging die Polizei mit unglaublicher Rohheit gegen die Demonstranten vor. 4000 Polizisten aus Hessen, Bayern und Baden-Württemberg waren im Einsatz. Am 21. Oktober 2011 schließlich wurde die neue Landebahn eröffnet.
Damit waren die Aktionen der Flughafengegner aber nicht beendet. In vielen Städten und Gemeinden, darunter auch in Mainz, fanden zahlreiche Demonstrationen statt. 2011 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Demonstrationen auch im Flughafengebäude stattfinden können, da es als öffentlicher Raum gilt. Seit dieser Zeit gibt es im Terminal 1 des Flughafens die Montagsdemonstrationen, an denen jeweils Tausende Personen teilnehmen.
Ungeachtet aller Einwände und Proteste setzt Fraport aber seine Expansionen fort. Im Süden des Flughafens entsteht zur Zeit ein neues Terminal 3. Damit will der Flughafen seinen Anspruch auf ein internationales Drehkreuz festigen. Für den Bau dieses Terminals und einen dafür notwendigen Autobahnzubringer werden wieder viele Hektar Wald gerodet.
Bürgerinitiativen und Umweltverbände, darunter auch die NaturFreunde, nehmen auch diesen Eingriff in die Natur nicht widerspruchlos hin. Mit zahlreichen Aktionen demonstrieren sie gegen die Umweltzerstörung. Und wieder werden diese Demonstrationen von der Polizei stark behindert. Wieder wird mit brutaler Gewalt gegen die Waldbesetzer vorgegangen.
Das alles ficht Fraport nicht an. Die stagnierenden Passagierzahlen und Flugbewegungen werden dadurch kompensiert, dass nun mit Dumpingpreisen Billigfluglinien, sogenannte Low-Cost-Carrier angelockt werden. So hat die irische Fluggesellschaft Ryanair Flugzeuge vom Hunsrückflugplatz Hahn nach Frankfurt verlegt. Lufthansa, die in letzter Zeit mit ihren Neuerwerbungen ebenfalls in das Billigfluggeschäft eingestiegen ist, fliegt nun auch mit den übernommenen Flugzeugen von Frankfurt.
Fraport geht es dabei um Größe und natürlich um Geld, um viel Geld. Fraport will, dass Frankfurt zum größten Drehkreuz Europas wird. Damit läßt sich enorm Profit machen. Umsteiger aus aller Welt sollen hier steuerfrei einkaufen.
Dies stellt eine weitere Subvention der Luftfahrtindustrie dar. Kein anderes Verkehrsmittel wird vom Staat so subventioniert wie das Flugzeug, zum Beispiel ist auf Kerosin keine Mineralölsteuer zu zahlen und auf Tickets für Auslandsflüge entfällt die Mehrwertsteuer.
Auf das eigentliche, das größte Problem, das dieser Flughafen der Region beschert, nämlich die ungeheure Lärmbelastung und die gesundheitlichen Gefährdungen, wird Thema eines weiteren Berichtes werden.
Erich Ihl
NaturFreunde Mainz