Wie die Politik Tourismusförderung zulasten des Klimaschutzes organisiert
Ab 2020 erhebt Frankreich eine Ökosteuer auf Flugtickets. Der Erlös soll in großen Teilen dem Ausbau der Bahn zukommen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung aus Sicht der NaturFeunde.
Deutschland sitzt das Thema derweil noch immer aus und pumpt weiter milliardenschwere Förderungen in den Tourismus. Davon profitieren jedoch in erster Linie Airlines und Flughäfen, wie Hans-Gerd Marian in der aktuellen NATURFREUNDiN berichtet:
Kaum war die Frage gestellt, da war die Pressekonferenz des malaysischen Tourismusministers auch schon beendet. Eine Journalistin wollte doch tatsächlich etwas über die Rechte von Schwulen und Lesben in Malaysia wissen! Malaysia war das diesjährige Partnerland der Internationalen Tourismusbörse Berlin.
Seit Jahren wählt die Messe mit sicherer Hand ein autoritäres Regime als Partnerland, das sich einen Dreck um Menschenrechte und Umweltschutz schert. Im Jahr 2020 kommt Oman an die Reihe. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Bundesregierung, solche Fehltritte mit Millionen Euro Steuergeld zu fördern.
Die Förderung der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) war dem Bundesrechnungshof im Jahr 2016 eine besondere Kritik wert. Immerhin 30 Millionen Euro pro Jahr gibt die Bundesregierung als Grundförderung für einen Verein aus, der von der Lufthansa, den deutschen Großflughäfen Frankfurt und München, TUI und der Messe Berlin in seiner Ausrichtung dominiert wird. Lediglich 2,5 Prozent des Etats werden von der Wirtschaft finanziert. In anderen Ländern würde man dies wahrscheinlich auf Korruption zurückführen, wenn viel fliegende Parlamentarier*innen unisono dafür eintreten, die Interessen der Lufthansa und der Großflughäfen in den Mittelpunkt ihrer Tourismusförderung zu stellen.
Für alternative Tourismusprojekte gibt die Bundesregierung jährlich weniger als 300.000 Euro aus. Die DZT wirbt rund um den Globus für das Reiseziel Deutschland und steuert dabei immer entfernter gelegene Quellmärkte an. In den letzten Jahren hat sie besonders erfolgreich in China, Arabien und Südamerika Tourist*innen geworben, was einen Anstieg der besonders klimaschädlichen Fernflüge zur Folge hat. Das führt zu einer besseren Auslastung der Flughäfen Frankfurt und München, zu mehr Geschäft für die Lufthansa, zu mehr Gewinn beim TUI-Konzern.
Fernreisen werden zu 98 Prozent mit dem Flugzeug absolviert. Sie wegen ihrer besonderen Schädlichkeit für die Atmosphäre zu kritisieren, ist in Deutschland hartes Brot. Man frage einfach einige Grüne, die von ihrer neuen Wohlfühlparteiführung zurückgepfiffen wurden, als sie jüngst Maßnahmen zur Begrenzung von Fernflügen forderten. Einmal im Jahr nach Südasien oder nach Vancouver zu fliegen reicht aus, um den Jahres- Kohlendioxid-Ausstoß von Durchschnittsbürger*innen zu übertreffen.
In Zeiten des Klimawandels gilt es, das Kartell aus Politik, Fluggesellschaften, Flughäfen, Tourismusindustrie und viel fliegenden Un-Umweltbewussten zu brechen, wenn die Klimaziele von Paris nicht reine Lippenbekenntnisse bleiben sollen. Die Tourismusstrategie für Deutschland, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, zeigt, wie stark dieses Kartell wirkt: Der Entwurf der SPD-Tourismuspolitiker*innen dürfte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Stirnrunzeln bescheren. Denn wie so oft im Tourismus wird von den SPD-Leuten einseitig auf Wachstum gesetzt und das Pariser Klimaabkommen ignoriert.
In der Tourismusforschung gilt als erwiesen, dass grenznaher Tourismus wesentlich mehr zur regionalen Wertschöpfung beiträgt als der meist kurze Aufenthalt von Fernreisenden. Es müsste daher auch im Interesse der Touristiker*innen liegen, die Werbestrategie der DZT zu verändern. Bisher lassen sie sich jedoch über ihre Tourismusmarketingorganisationen weitgehend in die Fernflugförderstrategie einbinden.
Wer einen Traumurlaub verbringen will, muss nicht in die Südsee reisen, um den Malediven beim Untergang zuzuschauen. Alternativen gibt es. Das fängt an beim Naturfreundehaus am Braunschweiger Südsee (E 35), geht über Badeurlaub auf Hiddensee und führt möglicherweise zum Naturparadies der Islas Cies im spanischen Atlantik vor der Bucht von Vigo. Auch dahin muss man nicht fliegen oder wie bei Jules Verne mit dem U-Boot Nautilus anreisen. Mit Bahn und Fähre geht es bequem, allerdings nicht schnell.
Hans Gerd Marian