Wie die AfD gegen die Interessen ihrer eigenen Wähler kämpft

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Mit den letzten Landtagswahlen hat sich die Alternative für Deutschland (AfD) auch im Westen der Bundesrepublik vorerst als politische Kraft etabliert. Die Rechtsradikalen stiegen in Hessen und Bayern zur stärksten Oppositionspartei auf und ließen SPD und Grüne hinter sich. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im September 2024 als nächstes gewählt wird, stellt die AfD bereits die zweitstärksten Landtagsfraktionen und liegt in Umfragen auf dem ersten Platz.

Noch nie war eine rechtsradikale Partei in der Bundesrepublik derart erfolgreich. Überdurchschnittlich oft haben in Hessen und Bayern vor allem Arbeiter*innen die AfD gewählt. Nach den Analysen hatten AfD-Wähler*innen zudem im Schnitt niedrigere Bildungsabschlüsse als die Anhänger*innen anderer Parteien, und erneut gaben Männer häufiger als Frauen den Rechtsradikalen ihre Stimme. Die AfD-Wähler*innen waren überwiegend mittleren Alters. Allerdings konnte die Partei vom rechten Rand auch bei den unter-30-Jährigen besorgniserregend zulegen.

Die Wahlanalysen bestätigten sozialwissenschaftliche Untersuchungen. Demnach sind die AfD-Anhänger*innen vor allem in der traditionellen Mittelschicht und der Unterschicht zu verorten und zählen oft zu den Verlierer*innen von Modernisierung und Globalisierung oder sehen sich zumindest durch diese bedroht.

Die AfD steht für radikalen Sozialabbau

Ein Klick lädt die NATURFREUNDiN 4-23 als PDF (10 MB).Dieser Artikel ist Teil der Titelgeschichte "(GEGEN) DIE NEUE SOZIALE KÄLTE" der Ausgabe 4-23 der NATURFREUNDiN, dem Mitgliedermagazin der NaturFreunde Deutschlands.

Dieser Hauptklientel hat die AfD jedoch nichts zu bieten. Im Gegenteil tritt sie für radikalen Sozialabbau, für mehr Markt und geringere Steuern ein und gibt sich in ihren Programmen neoliberaler als FDP und CDU. Gerade Menschen mit geringerem Einkommen oder in unsicheren Berufspositionen benötigen aber die sozialstaatliche Absicherung. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher sieht ein „AfD-Paradox“ und stellt fest: „Die AfD steht in fast allen Politikbereichen für Positionen, die der Mehrheit der eigenen Wähler* innen schaden würde.“

Wer auf der AfD-Homepage nach dem „Sozialprogramm“ sucht, landet bei einem ins Leere führenden Link. Die vor zehn Jahren als strikt neoliberale Anti-Euro-Organisation gegründete Partei veranstaltete nach langen Streitereien im Jahr 2020 einen sogenannten Sozialparteitag. Das dort verabschiedete „Konzept zur Sozialpolitik“ blieb höchst unvollständig, enthält nur „Leitlinien zur Gesundheitspolitik“ und Ausführungen zum „Rentenproblem“.

Die AfD-Überlegungen zur Rente debattieren die Abschaffung der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten einer steuerfinanzierten Grundrente. Mit den allermeisten Sozialleistungen befasst sich das AfD-Konzept nicht, und Aussagen zu angestrebten Leistungshöhen, die ja desillusionierend wirken könnten, fehlen.

„Aktivierende Grundsicherung“ statt Bürgergeld

Das lückenhafte Sozialkonzept kann man nur gemeinsam mit dem AfD-Grundsatzprogramm herunterladen. Nach diesem wollen die Rechtsradikalen die Bundesagentur für Arbeit auflösen, deren Aufgaben kommunalisieren und das Arbeitsrecht stark vereinfachen. Das Bürgergeld wollen sie durch eine „aktivierende Grundsicherung“ ersetzen.

Nach einem AfD-Antrag im Bundestag würden Bezieher*innen dieser Grundsicherung pro Woche 15 Stunden gemeinnützige Arbeit auferlegt. Diese dürften sich grundsätzlich nur im Inland ortsnah zum Jobcenter aufhalten und müssten sich jede Auslandsreise genehmigen lassen. Für einen Teil würde eine „Sachleistungs- Debitkarte“ eingeführt.

Zudem ist es Ziel der Rechtsradikalen, pauschal „die Staatsaufgaben zu reduzieren“ und zusätzlich zur Schuldenbremse eine „Steuer- und Abgabenbremse“ im Grundgesetz zu verankern. Ein nur dreistufiger Steuertarif soll die progressive Einkommensteuer ersetzen. Dieses Geschenk für Spitzenverdiener*innen ergänzte das letzte AfD-Bundestagswahlprogramm mit der Forderung nach der Abschaffung von Erbschafts-, Vermögens-, Schenkungs- und Grundsteuer.

Unterm Strich treten die Rechtsradikalen für den Abbau von Arbeitnehmer*innenrechten, für die steuerliche Entlastung von Großverdiener*innen und Vermögenden und für eine Finanzpolitik ein, die im radikalen sozialen Kahlschlag münden müsste.

Die meisten AfD-Wähler*innen wollen das offenbar gar nicht wissen und geben sich damit zufrieden, wenn die Rechtsradikalen gegen Zuwanderer*innen hetzen und sich selbst als Opfer der Eliten inszenieren.

Jürgen Voges

(Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Ausgabe 4-23 der NATURFREUNDiN, dem Mitgliedermagazin der NaturFreunde Deutschlands.)

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