Resolution: NaturFreunde für den Frieden

Resolution der 10. Jahreskonferenz der NaturFreunde Internationale (NFI)

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„NaturFreunde für den Frieden“ lautete das Motto der 10. Jahreskonferenz der NaturFreunde Internationale (NFI), die am 14. September im Naturfreundehaus Eikhold im niederländischen Heerlen tagte.

Der internationale NaturFreunde-Dachverband verabschiedete dabei eine gleichnamige Resolution, die unter anderem das langjährige Engagement der NaturFreunde in der modernen Friedensbewegung betont und die sofortige Einstellung der militärischen und sonstigen kriegerischen Aktionen auf allen Seiten fordert. Denn es gibt keinen „gerechten“ Krieg und die stärksten Verlierer bei Kriegen sind sozial benachteiligte Menschen.

Im Wortlaut: NFI-Resolution "NaturFreunde für den Frieden"

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine im Jahr 2022 und die militärische Antwort Israels auf den Terroranschlag der Hamas im Oktober 2023 führten zu zahlreichen öffentlichen Friedensaufrufen. Alle Aufrufe verfolgten einhellig das Ziel, die Waffen zum Schweigen zu bringen und das Leid der Zivilbevölkerung zu beenden. Allerdings gab und gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie diese Ziele erreicht werden sollen und wer die Verantwortung für die verheerenden Konflikte trägt.

Wirtschaftsboykott Russlands, Unterstützung der Ukraine, Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung versus totale Auslöschung der Hamas-Bewegung? Jeder dieser Aspekte spaltet die Friedensbewegung und verhindert somit eine gemeinsame, allumfassende Position.

Die NaturFreunde sind von Anfang an Teil der modernen Friedensbewegung.

Der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 beendete den II. Weltkrieg, doch gleichzeitig war klar, dass das globale Wettrüsten in eine neue Ära eingetreten war. Die Militärmächte strebten danach, tödliche Atomwaffen einzusetzen oder taktische Atomwaffen zu entwickeln, die neben einem strategischen Atomschlag auch einen begrenzten Atomkrieg ermöglichen würden. Diese lauernde Gefahr war die Geburtsstunde einer neuen Friedensbewegung.

Die ersten Kampagnen von Friedensaktivist*innen fanden im Vereinigten Königreich statt, mit dem Ziel „die Durchführung gewaltfreier direkter Aktionen zu unterstützen, um den vollständigen Verzicht Großbritanniens und aller anderen Länder auf einen Atomkrieg und seine Waffen als ersten Schritt zur Abrüstung zu erreichen“. Das „British Direct Action Committee Against Nuclear War“ organisierte zu Ostern 1958 einen Marsch von London zum Atomforschungszentrum Aldermaston und mobilisierte rund 10.000 Menschen gegen die atomare Aufrüstung. Diese politische Aktion inspirierte viele Menschen in Deutschland, darunter auch die NaturFreunde, die sich an die Spitze der deutschen Friedensbewegung setzten (siehe Anhang). In diese Zeit fällt auch der Höhepunkt der weltweiten Proteste gegen den Vietnamkrieg, der einer der Hauptauslöser für die Student*innenbewegungen in den USA und auch in Europa war.
 
Ab 1970 nahm die Internationalisierung der Friedensbewegung noch stärker zu. Nach der Entwicklung der Neutronenbombe und dem NATO-Doppelbeschluss 1979 (Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa bei gleichzeitiger Forderung nach Verhandlungen zur Limitierung dieser Raketen) gab es viele große Friedensdemonstrationen in Europa und den USA mit mehr als fünf Millionen Teilnehmer*innen.

Auch die Ostermarschbewegung setzte sich fort und die NaturFreunde Deutschlands riefen regelmäßig zur Teilnahme auf. In den letzten Jahren haben die NaturFreunde Deutschlands mit den bundesweiten Friedenswanderungen eine neue Form des Protestes entwickelt.

Neben den NaturFreunden Deutschlands beteiligen sich auch viele andere NaturFreunde-Organisationen aktiv an der Friedensbewegung. Die NaturFreunde Griechenland zum Beispiel beteiligen sich seit langem an Antikriegsveranstaltungen und Kampagnen gegen Atomwaffen und wurden 2022 offizieller Partner der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN).

Die Welt ist nicht friedlicher geworden.

Die Friedensbewegung hat die weitere Aufrüstung der Welt noch nicht verhindern können. Die weltweiten Militärausgaben belaufen sich im Jahr 2023 auf 2,44 Billionen US-Dollar, davon entfallen allein auf die USA 916 Milliarden (37,5 %). China (296 Mrd.), Russland (109 Mrd.), Indien (83,6 Mrd.), Saudi-Arabien (75,8 Mrd.), das Vereinigte Königreich (74,9 Mrd.), Deutschland (66,8 Mrd.), die Ukraine (64,8 Mrd.), Frankreich (61,3 Mrd.), Japan (50,2 Mrd.) und Südkorea mit 47,9 Mrd. US-Dollar sind die nächstgrößeren Ausgabenträger. Im Jahr 2024 beläuft sich die Zahl der nuklearen Sprengköpfe in Russland auf 5.580 und in den USA auf 5.044, damit besitzen diese beiden Länder zusammen etwa 88 Prozent des weltweiten Gesamtinventars an Atomwaffen (insgesamt 12.121). Die anderen Länder, die Atomsprengköpfe besitzen, sind China (500 Stück), Frankreich (290), das Vereinigte Königreich (225), Indien (172), Pakistan (170), Israel (90) und Nordkorea (50).

Leider haben sich die meisten Menschen an diese nukleare Bedrohung und das Konzept der Sicherheit durch Abschreckung gewöhnt und glauben, dass kein vernünftiges Staatsoberhaupt jemals den roten Knopf drücken würde, der ein globales Atomraketengeschwader auslöst. Dabei wird jedoch übersehen, dass das Militär seit langem über taktische Atomwaffen verfügt, die auch einen begrenzten Atomkrieg ermöglichen. Und spätestens seit Russlands Angriff auf die Ukraine ist es höchst zweifelhaft, dass alle Entscheidungsträger*innen von rationalen Motiven geleitet werden.

Oft wird auch übersehen, dass Atomwaffentechnologie nicht ewig geheim gehalten werden kann – schon heute sind Indien, Pakistan und Nordkorea Mitglied im Club der Atommächte, der Iran arbeitet daran, und es ist nicht auszuschließen, dass irgendwann auch terroristische Gruppen in den Besitz dieser Waffen kommen und die Weltgemeinschaft erpressen.

All dies geschieht vor dem Hintergrund drohender globaler Krisen um Wasser, Nahrungsmittel und andere begrenzte Ressourcen, was dazu führen könnte, dass Länder, die im globalen Verteilungswettbewerb benachteiligt sind, die Aufrüstung als Chance begreifen.
 
Ein Verbot von Atomwaffen und weltweite Abrüstung sind dringend notwendig, um unsere Welt sicherer zu machen.

Am 7. Juli 2017 – nach einem Jahrzehnt der Lobbyarbeit der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und ihrer Partner – hat eine überwältigende Mehrheit der Staaten der Welt den Vertrag über das Verbot von Atomwaffen angenommen. Er trat am 22. Januar 2021 in Kraft und füllt eine bedeutende Lücke im internationalen Recht. Er verbietet den Staaten, Atomwaffen zu entwickeln, zu testen, zu produzieren, weiterzugeben, zu besitzen, zu lagern, einzusetzen oder mit dem Einsatz zu drohen oder die Stationierung von Atomwaffen in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassen.

Derzeit gibt es 93 Unterzeichner und 70 Vertragsstaaten. Die NaturFreunde ermutigen alle Länder zum Beitritt!

Es gibt keinen „gerechtfertigten“ Krieg.

Kriege sind keine Naturgewalt. Sie werden von Menschen geplant und durchgeführt, wobei die Verantwortung bei den Staats- und Regierungschefs liegt: Sie entscheiden über Auf- und Abrüstung sowie über die Ziele der globalen Gewaltmaschinerie.

Die von diesen geplanten Zerstörungsszenarien betroffenen Menschen sind ihre eigene Bevölkerung – als Zielscheibe feindlicher Angriffe oder als Soldaten an der Front. Die Vorstellung, dass die Zerstörung immer nur den Feind treffen würde, ist ein militärischer Idealismus, an den nicht einmal die hartnäckigsten Generäle selbst glauben. Die Gewinner von Kriegen sind das Militär, die Eliten und die Rüstungsindustrie; die Verlierer sind die Bevölkerung, wobei sozial benachteiligte Menschen am stärksten betroffen sind.

Selbst wenn es uns gelingt, räumlich begrenzte Kriege zu führen, führen diese Kriege nicht zu einer Lösung der Probleme. Sie verschieben nur das Machtgleichgewicht zwischen verschiedenen Gebieten und Bevölkerungsgruppen und schaffen so Gründe für Gegenreaktionen. Krieg und Rüstung kosten Unmengen an Geld – Geld, das dringend gebraucht würde, um gegen gravierende globale Probleme vorzugehen, vom Hunger bis zum drohenden Klimakollaps.

Sicherung von Ressourcen und Einfluss – eine überholte Strategie.

Im Zeitalter der Globalisierung, in dem die Wirtschaft nur durch koordinierte Zusammenarbeit gut funktioniert, sind archaische Strategien der Eroberung bestimmter Ressourcen oder Gebiete längst überholt. Das zeigt sich auch an der Unwirksamkeit der vielen Handelskriege – entweder kann man auf die Ressourcen des Gegners nicht verzichten, oder er findet andere Abnehmer, die ein Embargo nicht mittragen. Unsere Volkswirtschaften sind gegenseitig von den ungleich verteilten Rohstoffressourcen der Welt abhängig, so dass nur eine friedliche Zusammenarbeit zu globalem Wohlstand führen kann.

Das europäische Friedensmodell muss gestärkt werden.

Die Europäische Union wurde gegründet, um die friedliche Zusammenarbeit zu fördern und bewaffnete Konflikte auf europäischem Boden für immer zu verbannen. Dieses Modell ist nun in Gefahr. Nach Angaben des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) hat sich der Export von Großwaffen in Europa zwischen 2019 und 2023 verdoppelt.
 
Nach Angaben der Londoner Denkfabrik IISS gab 2020 kein Land außer den USA so viel für das Militär aus wie die 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen, nämlich 227 Milliarden Dollar. Die in den einzelnen Mitgliedsstaaten beschlossenen Aufrüstungsmaßnahmen führen bereits jetzt zu deutlichen finanziellen Problemen in den einzelnen Haushalten, was zwangsläufig zu Kürzungen in allen anderen Aufgabenbereichen (z.B. Gesundheitsversorgung, Bildung, Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum etc.) führt – zu Lasten der Bevölkerung und zukünftiger Generationen. Die Rüstungs- und Kriegsindustrie schafft kein Gemeinwohl, sondern verschlingt Volksvermögen. Auf der Grundlage seiner positiven Erfahrungen mit der Friedensdividende sollte sich Europa aktiv als Friedensmacht einbringen und so zu einem Ende von Kriegen und bewaffneten Konflikten beitragen.

Die Kraft der Friedensbewegung!

Der Teufelskreis von Aufrüstung und bewaffneten Konflikten kann nur durch eine breite globale Friedensbewegung durchbrochen werden. Eine Friedensbewegung, die von Regierungen und Institutionen fordert, in konfliktlösende Maßnahmen zu investieren und friedliche Kooperation statt Aufrüstung zu ermöglichen. Die entsprechenden internationalen Foren und Organisationen sind vorhanden, sie können weiter ausgebaut werden, vor allem aber müssen sie genutzt werden. Ohne Druck aus der Bevölkerung wird sich wenig ändern.

Ziel der Friedensbewegung muss es sein, das Kriegspotential zu verringern, unabhängig davon, ob gerade ein Krieg geführt wird oder nicht. Sobald ein Krieg oder bewaffneter Konflikt ausgebrochen ist, muss die Hauptforderung sein, ihn zunächst zu beenden. Wer dafür verantwortlich ist und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, sollte dann in neutral geführten Friedensverhandlungen geklärt werden. Es ist nicht die Aufgabe der Friedensbewegung, sich auf konkrete und detaillierte Ziele und Lösungen festzulegen, sondern die Logik des Krieges zu durchbrechen und sich für einen Stopp der militärischen und sonstigen kriegerischen Aktionen einzusetzen.

Die NaturFreunde fordern:

  • die sofortige Einstellung der militärischen und sonstigen kriegerischen Aktionen auf allen Seiten;
  • die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen unter der Leitung einer neutralen Vermittlungsinstitution wie z.B. der Vereinten Nationen, die von den Konfliktparteien akzeptiert wird;
  • die Unterstützung von Flüchtlingen, Kriegsdienstverweigerer*innen und der Zivilbevölkerung, die von militärischen und kriegerischen Aktionen betroffen ist;
  • die Unterstützung von Friedensaktivist*innen weltweit;
  • die Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrags über das Verbot von Atomwaffen durch alle Regierungen.

Die NaturFreunde Internationale als Vertreterin von mehr als 350.000 Mitgliedern wird sich auf Basis ihres über 125-jährigen Engagements für Internationalität, Toleranz, Gewaltfreiheit und soziale Gerechtigkeit für eine friedliche Zukunft für alle Menschen einsetzen.
 
Anhang: Die Rolle der NaturFreunde Deutschlands in der Friedensbewegung

Bereits 1959 organisierte die hessische Naturfreundejugend anlässlich ihres Regionaltreffens einen „Ersten Friedensmarsch von Hanau-Sternheim nach Offenbach am Main“. Einer der Organisatoren war Klaus Vack, der 1958 zum Jugendsekretär der hessischen Naturfreundejugend gewählt wurde und ab 1961 acht Ostermärsche mitplante und organisierte. Als Reaktion auf die Erprobung von Atomraketen auf dem Truppenübungsplatz Bergen organisierten Friedensaktivist*innen 1960 den ersten Ostermarsch mit rund 1.200 Teilnehmer*innen. Doch bereits 1958 gab es eine breite Kampagne von SPD und Gewerkschaften gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik: Die Massenkundgebungen am 17. April 1958 in Bremen, Kiel, München, Mannheim, Dortmund, Essen und Hamburg mobilisierten insgesamt 1,5 Millionen Teilnehmer*innen.

Klaus Vack und die hessische Naturfreundejugend spielten auch zwischen 1961 und 1970 eine zentrale Rolle bei den Ostermärschen: Vack wurde 1965 Sekretär des Zentralkomitees der Ostermarschbewegung, und die Bewegung wurde von einer gemeinsamen Organisation geleitet, in der auch die Naturfreundejugend Hessen ihren Sitz hatte. Viele Prominente schlossen sich der Bewegung an, darunter Robert Jungk, Ernst Rowohlt, Erich Kästner und Bertrand Russel. Einer der Höhepunkte des Ostermarsches 1966 war sicherlich die Teilnahme von Joan Baez.