Ein Standpunkt von Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands
Keiner kann sagen, er hätte es nicht gewusst. Seit mehr als dreißig Jahren wird darüber geredet und geschrieben, welche Folgen durch die Konflikte um Erdöl im Nahen Osten, den Klimawandel, die alten und neuen Stellvertreterkriege, die Verarmung ganzer Regionen drohen. Vor allem wird dabei immer wieder vor großen Migrationsbewegungen gewarnt.
Was dabei auf uns zukommen kann, dafür war der Bürgerkrieg im Sudan ein schreckliches Beispiel: Das gegenseitige Aufschaukeln der Faktoren Klimaänderungen, Nahrungsmangel und ethnische Konflikte führte zum Krieg und schließlich zu einer gewaltigen Fluchtbewegung. Weil diese von Europa aber noch relativ weit entfernt war, wurde sie nur zur Kenntnis genommen, mehr nicht.
Die Tür nach Europa lässt sich nicht wieder schließen
Dass Menschen in zerfallenden Staaten vor Krieg, Verödung, Gewalt und Terror fliehen, ist verständlich, war absehbar und wird auch künftig so sein. Deshalb ist es kaum erträglich, wenn Politiker, Verbandsvertreter oder Politikberater heute mit ernstem Gesicht in die Kameras sagen, wir müssen an den Ursachen ansetzen. In welcher Welt leben die denn, die so etwas als neue Erkenntnis verkünden? Die das erst jetzt erkennen? Und wie glaubwürdig ist das?
Die Lagebeurteilung in Mitteleuropa ist letztlich nur deshalb anders geworden, weil uns seit dem Jahr 2015 die Folgen der massenhaften Flucht auch unmittelbar betreffen. Die syrischen, irakischen, afghanischen und pakistanischen Flüchtlinge, die über Griechenland und die Balkanroute kommen, haben die Tür nach Mitteleuropa bereits weit aufgestoßen. Und klar ist auch: Die Tür kann nicht einfach wieder zugemacht werden, denn das wäre ein massiver Rückschlag – nicht zuletzt für die Europäische Union.
Wir brauchen eine nachhaltige Welt
Die große Zahl der Geflüchteten zeigt, was bereits im Brundtlandbericht der UN von 1987 steht: Wir leben auf einer verschmutzten, überbevölkerten, ungleichen und störanfälligen Welt. Und mit dem schnellen Zusammenwachsen der globalisierten und digitalisierten Erde holen uns die Folgen dieser Entwicklung ein.
Deshalb fordern wir NaturFreunde auch eine sozial-ökologische Transformation, denn wir brauchen eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche, also nachhaltige Welt. Von daher geht es sowohl um Hilfe für die Integration der Geflüchteten als auch um eine Weltinnenpolitik, die an den Konfliktursachen ansetzt. Beides gehört zusammen, sollen die Probleme wirklich gelöst werden.
Wir leisten dazu unseren Beitrag – mit der Flüchtlingshilfe in den Naturfreundehäusern sowie unseren Projekten und Partnerschaften in Afrika. Und wir treten einer Stimmungsmache entgegen, die die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen will, sondern reiner Populismus ist.
Klar ist allerdings auch: Mit der steigenden Zahl der Geflüchteten kommt auch die soziale Frage zurück. Wir müssen für mehr Gerechtigkeit kämpfen – in allen Bereichen.
Michael Müller
Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands