Der Wettbewerb für ein Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen war der wohl bedeutendste künstlerische Wettbewerb der Nachkriegszeit. Über 3.000 Künstler*innen aus aller Welt beteiligten sich daran, darunter Bildhauer*innen und Architekt*innen wie Max Bill, Alexander Calder, Naum Gabo, Barbara Hepworth, Bernhard Heiliger und Anne Kahane.
Wie kein anderer Wettbewerb nach 1945 ist er Spiegelbild einer höchst ideologisierten Kunstpolitik: Im Spannungsfeld des Ost-West-Konflikts wurde die Auslobung im Januar 1952 durch das Londoner Institute of Contemporary Arts (ICA) durchgeführt. Sowohl die Ostblock-Staaten als auch die Sowjetunion boykottierten die Ausschreibung – aller Wahrscheinlichkeit nach, weil man dort wusste, dass die Finanzierung auf Vermittlung des amerikanischen Geheimdienstes zustande gekommen war. Die jüngere Forschung vertritt die Annahme, dass der Wettbewerb sogar ganz wesentlich von der CIA direkt finanziert wurde.
Weltweit reagierten über 3.000 Bildhauer*innen aus 57 Nationen auf die Ausschreibung und reichten 1.400 Entwürfe ein. Mit 262 Einsendungen war die Beteiligung aus der noch jungen Bundesrepublik am höchsten. Während die ältere, vornehmlich figurativ arbeitende Generation nicht antrat, erkannten die jungen Künstler*innen ihre Chance auf internationale Aufmerksamkeit: Erstmalig trat die abstrakte Kunst als Sinnbild von Freiheit und Demokratie prominent in Erscheinung.
Um die Fülle der Einreichungen zu bewältigen, organisierte das ICA nationale Ausstellungen und Vorentscheidungen in Deutschland, England, Frankreich, Italien, Österreich, Norwegen und den USA. Zusammen mit den 46 Einreichungen aus der Schweiz wurden die deutschen Entwürfe 1952/53 im Haus am Waldsee in Berlin gezeigt. Als Ergebnis der nationalen Vorentscheide wurden schließlich 140 Werke in der Tate Gallery in London von März bis Mai 1953 präsentiert – ein außerordentlicher Erfolg: Über 30.000 Menschen besuchten diese mit hochkarätigen Namen besetzte internationale Ausstellung.
Zum Sieger der Ausschreibung erkor die international besetzte Jury den britischen Bildhauer Reg Butler. Sein Entwurf sollte in einer Höhe von über 30 Metern realisiert werden und bestand aus drei Komponenten: einem massiven Stein als Sockel, auf dem drei weibliche Figuren standen, und eine hohe Eisenkonstruktion auf drei Beinen, die einem Wachturm glich.
Für einen Großteil des Publikums in Deutschland und wenig später auch in London stellten die künstlerischen Entwürfe jedoch eine kaum zumutbare ästhetische Belastungsprobe dar. Dennoch bekundete der damalige Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, noch vor der finalen Jury-Sitzung in London das dezidierte Interesse der Stadt daran, Aufstellungsort der Siegerplastik zu werden. Im April 1957 entschied der Berliner Senat, Butlers Arbeit auf dem Trümmerberg am Humboldthain als Gegenentwurf zum Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park aufzustellen. Die Umsetzung dieser Pläne scheiterte schließlich aber am Widerstand aus der Bevölkerung und der mangelnden Finanzierung. 1964 schloss der Senat das Kapitel endgültig – mit Mauerbau und Kuba-Krise verschoben sich die Prioritäten und mit Beginn der Brandt-Ära setzt man auf Annäherung statt auf weitere Eskalation und Provokation.
Die Ausstellung im Kunsthaus Dahlem rekonstruiert erstmalig diesen historisch einmaligen und ambitionierten Wettbewerb mit zahlreichen nationalen und internationalen Leihgaben im Rahmen einer Ausstellung. Neben dem britischen Siegerentwurf werden Originalmodelle aus verschiedenen Ländern wie dem Irak, Island, Norwegen oder der Schweiz ebenso gezeigt wie Zeichnungen und zeitbezogene Dokumente zu prämierten Werken. Einen besonderen Schwerpunkt der Ausstellung bilden sämtliche heute noch erhaltenen Modelle aus der deutschen Vorauswahl, die 1953 letztmalig in dieser Konstellation in Berlin zu sehen waren.
Das Ausstellungsdesign im Kunsthaus Dahlem wurde in Anlehnung an das vielbeachtete Design des MoMA-Kurators für Design und Architektur, Philip Johnson, für den amerikanischen Vorentscheid 1952/53 entworfen und konterkariert die Architektur des Hauses mit dezidiert modernistischer Sprache.
Künstler*innen der Ausstellung
Internationale Section: Ørnulf Bast, Reg Butler, Wessel Couzijn, Emil Gehrer, Gerður Helgadóttir, Barbara Hepworth, Hugo Imfeld, Lazaros Lameras, Ulrika Marseen, F. E. McWilliam, Luciano Minguzzi, Jorge Oteiza, André Ramseyer, Theodore Roszak, Jewad Selim, Jorge Vieira.
Deutsche Sektion: Egon Altdorf, Karl Hartung, Bernhard Heiliger, Hans Jaenisch, Franklin Pühn, Erich F. Reuter, Zoltán Székessy, Hans Uhlmann.
Mehr Infos: kunsthaus-dahlem.de
Tour de Musée
Schon in den Gründungsjahren beteiligten sich die NaturFreunde an der Diskussion über die Entwicklung und Ausgestaltung einer Kultur der Arbeiter*innenbewegung. Mit einem umfassenden Kulturbegriff, der einen gesellschaftspolitischen Anspruch beinhaltete, sahen sich die NaturFreunde als ein Teil des linken Kulturdiskurses. Ausdrücklich wollten die NaturFreunde die Erfahrungen der alltäglichen Ausbeutung und Ausgrenzung größerer Teile der Arbeiter*innenschaft aus der bürgerlichen Gesellschaft sowie das Erlebnis der gemeinsamen bedrohten Lebenslage, als Teil ihres Kulturbegriffes, der nicht nur Musik und Kunst, sondern auch Bildung und Sport einschloss, verstehen.
Geprägt wurden Kulturverständnis und -arbeit der NaturFreunde vor allem durch Diskussionen in der Arbeiter*innenbewegung, Chöre, Tanzgruppen, Lesekreise sowie die Einrichtung von Bibliotheken in Naturfreundehäusern.
Die NaturFreunde wollen mit der Reihe Tour de Musée an dieser Tradition anknüpfen. Gemeinsam in eine Ausstellung gehen, um das Gesehene und Gehörte miteinander zu diskutieren und zu interpretieren. Fotos, Bilder und Exponate gemeinsam ansehen und aus den Gesehenen neue Anregungen für die kulturelle und politische Arbeit finden.
Das ist das Ziel von Tour de Musée. Die NaturFreunde Berlin bieten allen Interessierten an, gemeinsam in interessante Ausstellungen zu gehen und das gesehene danach zu diskutieren. Die Ausstellungsbesuche entstehen durch Vorschläge und Hinweise der Interessierten. In der Regel finden die Besuche ohne organisierte Führung statt, um der eigenen Interpretation und dem individuellen Erlebnis in keinen vorgegebenen Rahmen einzufügen. Die Touren sind für alle Interessierten, die sich gerne Kunst und Kultur anschauen, offen.
6€ / ermäßigt 4€
NaturFreunde Berlin
Uwe Hiksch
hiksch@naturfreunde.de
(0176) 62 01 59 02