Warum die NaturFreunde Schleswig-Holstein „Kippen-Kontrollen“ fordern

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Wild entsorgte Zigarettenkippen schaden Mensch und Umwelt weitaus mehr als vermutet. Denn sie bergen eine gefährliche Fracht: Mehr als 7.000 Substanzen, davon viele krebserregend, gelangen mit jeder einzelnen Kippe in die Umwelt. Für Kleinkinder können auf dem Boden entsorgte Kippen sogar lebensgefährlich werden, ebenso für Haustiere.

Chemikalien wie Nikotin, Formaldehyd, Benzol, Nitrosamine, dazu Schwermetalle wie Arsen, Blei, Chrom, Kupfer, Kadmium sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) lösen sich nach und nach aus den Zigarettenresten heraus. Direkt oder über die Kanalisation gelangen sie bei Regen oder Wind von der Straße in die Gewässer. Aufgenommen etwa von Fischen gelangt der Giftcocktail aus den Kippen auf unsere Teller zurück.

Alle Welt beklagt aktuell die Gefahren von Plastikmüll im Meer. Die vergleichbaren Umweltrisiken der tagtäglich in Städten und an Stränden unsachgemäß entsorgten Kippen – der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind es weltweit jährlich rund 4,5 Billionen – werden hingegen noch immer unterschätzt. Die Filter bestehen nämlich nicht etwa, wie oft angenommen, aus Bio-Baumwolle oder Papier, sondern aus Zelluloseacetat, einem schwer abbaubarem Kunststoff. Kombiniert mit den in den Stummeln hochkonzentrierten Giftstoffen tickt hier eine Zeitbombe auf unseren Straßen.

Der häufigste Müll am Strand sind Kippen

Als erster Umweltverband haben die NaturFreunde Schleswig-Holstein eine landesweite Aufklärungskampagne begonnen, unterstützt von der Umweltstiftung „BINGO – Die Projektförderung!“. Querbeet tourten wir in diesem Sommer mit Infoständen, Ausstellungen, Sammelaktionen und Vorträgen durch Schleswig-Holstein, stets begleitet von hoher medialer Aufmerksamkeit.

Mit Studierenden der Uni Kiel stellten wir zudem an Stränden Infotafeln zum Umweltproblem Zigarettenkippen auf, dazu Taschenaschenbecher zum Ausleihen. Denn Kippen sind der am häufigsten gefundene Müll am Strand.

Gespräche haben wir auch mit der Fachhochschule Flensburg geführt, die das Kippenproblem nun exemplarisch für ein aktuelles Umweltproblem in die Lehrerausbildung integrieren möchte. Vor der EU-Wahl wandten wir uns mit konkreten Forderungen an die Politik, auch weil Deutschland das einzige Land in der EU ist, das Tabakwerbung noch erlaubt. Dazu suchen wir mit Ordnungsämtern und Kommunen das Gespräch. Denn letztlich sind sie es, die für eine sachgemäße Entsorgung zuständig sind.

Ein schöner Nebeneffekt all unserer Aktivitäten ist der steigende Bekanntheitsgrad der NaturFreunde in Schleswig-Holstein und deren Wahrnehmung als ein zeitgemäß arbeitender Umwelt- und Naturschutzverband, was auch in lang ersehnten Neumitgliedern resultiert.

Was aber ist zu tun, damit das Gift von unseren Straßen verschwindet? Worauf zielen die NaturFreunde-Aktionen ab? Grundsätzlich handelt es sich beim Wegschnippen der Kippen um die Ordnungswidrigkeit einer „unsachgemäßen Abfallbeseitigung“, die in vielen Kommunen Bußgeld bewährt ist. Doch wo nicht kontrolliert wird oder Bußgelder aus der Portokasse bezahlt werden können, nehmen Rauchende dies offensichtlich nicht ernst.

Als NaturFreunde Schleswig-Holstein plädieren wir für eine drastische Erhöhung von Kontrollen und Bußgeldern. Aus Letzteren ließe sich Personal finanzieren wie etwa bei Geschwindigkeitskontrollen. Landesweite Aktionstage mit öffentlichkeitswirksamen „Kippen-Kontrollen“ durch die Ordnungsämter ähnlich den konzertierten landesweiten Blitzaktionen dienten der Aufklärung breiter Bevölkerungsschichten.

Rauchverbote auf gemeindeeigenen Flächen

Ermutigen möchten wir auch zu „Rauchfreien Städten“, in denen Rauchverbot auf allen gemeindeeigenen Flächen herrscht. Singapur und Groningen (NL) etwa haben den Umweltkiller Zigarettenkippen so zur Strecke gebracht. Auf Kinderspielplätzen sollten Kippen sowieso tabu sein, ein Rauchverbot dort ist überfällig.

Das könnten die Bundesländer jeweils selbst beschließen, allerdings haben bisher leider nur Bayern, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Auf dem Boden, in der Natur, im Biomüll oder in der Toilette unsachgemäß entsorgte Zigarettenreste sind ein massives, aber leicht vermeidbares Umweltproblem: Kippen gehören in den Restmüll!

Dr. Ina Walenda
Landesgeschäftsführerin NaturFreunde Schleswig-Holstein