Bericht: NaturFreunde-Geschichtskonferenz in Königstein vom 24. bis 26. November 2017
Vom 24. bis 26. November trafen sich über 50 NaturFreunde und Interessierte zur Geschichtskonferenz des Herbert-Wehner-Bildungswerkes und der NaturFreunde Sachsen, deren Fokus auf der Entwicklung von Naturfreundehäusern in Sachsen, Böhmen und Schlesien lag.
Geschichte als Karte
Eine Karte von Sachsen, Nordböhmen und Schlesien sorgte für großes Interesse. Die Karte war mit Fähnchen gespickt. Überall wo die Existenz eines Naturfreundehauses nachweisbar war, steckte ein solches. Zu den meisten Häusern gab es zumindest ein Foto. Vom kleinen Bootshaus bis zum großen Ferienheim war alles vertreten. Und eines wurde durch die Darstellung besonders deutlich. Ein dichtes Häusernetz spannte sich in den 30er-Jahren vom Vogtland über das Erzgebirge, Elbsandsteingebirge, Lausitzer Bergland bis ins Iser- und Riesengebirge beiderseits der Grenze.
Für Wanderungen „Von Hütte zu Hütte“ im Sommer und Winter wurde damals in den Mitgliederzeitschriften geworben. Eine Idee, die durch die Darstellung auf der Karte sehr verständlich wurde. Das Ziel der Konferenz bestand darin, die ehemaligen Häuser aus der Vergessenheit zu holen, vor allem auch die Häuser in der ehemaligen Tschechoslowakei und Schlesien, und damit aufzuzeigen, wie eng NaturFreunde über die Grenzen hinweg mit ihrem Häuserwerk öffentlich wirksam wurden. Weiterhin wurde die Frage gestellt, welche Bedeutung die Häuser für die Identität der NaturFreunde früher hatten und heute haben.
Naturfreundehäuser in den 20er-Jahren
Der Freitagabend begann mit einem Einblick in die vorhandenen Fotodokumente der NaturFreunde Sachsen und Fragen zu deren Erhalt und Möglichkeiten der Archivierung. Fast jedes sächsische Naturfreundehaus war auf Fotos und Postkarten abgebildet. Am Samstagvormittag thematisierte Joachim Schindler in seinem Vortrag die Herausforderungen, die mit dem Bau und dem Betreiben von Naturfreundehäusern in den 20er-Jahren verbunden waren. Dazu gehörten Fragen der Finanzierung und Koordinierung des Hausbaus, die Diskussionen zwischen Erwachsenen und Jugend zum Alkohol- und Rauchverbot in Naturfreundehäusern, aber auch die Nutzung der Naturfreundehäuser bis 1933 bzw. 1938 in Böhmen.
Naturfreundehäuser nach 1945
Ein weiterer Schwerpunkt bildete die Nutzung der Naturfreundehäuser in Sachsen nach 1945. Den sächsischen NaturFreunden ist es immerhin gelungen, dass ihre Häuser ab 1945 wieder touristischen Zwecken zur Verfügung standen, bevor ab 1948 die FDJ neuer Eigentümer der Häuser wurde. Bis 1990 waren die ehemaligen Naturfreundehäuser dennoch immer wieder Gegenstand von zahlreichen Publikationen in der DDR, was an vielen Beispielen dargestellt wurde. Die Entwicklung der Naturfreundehäuser „Am Breitenberg“ in Waldheim, in Königstein, Valtenberghaus, Wilthener Hütte und Zirkelsteinhaus wurden exemplarisch vorgestellt. Die bewegte Vergangenheit der Naturfreundehäuser wurde daran sichtbar.
Naturfreundehäuser heute
Das Königsteiner Haus und das Zirkelsteinhaus haben heute einen neuen Eigentümer, zu denen der Landesverband gute Kontakte pflegt. Die Wilthener Hütte wird vorbildlich durch das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder erhalten. Über den schlechten Zustand der beiden leerstehenden Naturfreundehäuser in Waldheim und Valtenberghaus waren die Teilnehmer sehr erschrocken. Beide verfallen zusehends und sind nach nun über zehnjährigem Leerstand kaum noch zu retten. Wie die NaturFreunde mit diesem Zustand umgehen, konnte zur Konferenz leider nicht geklärt werden.
Sehr lebhaft wurde die Diskussion nach dem Vortrag von Jörg Schwarze, der sich der Rückführung der Naturfreundehäuser und der Entwicklung des Familienferien- und Häuserwerkes der Deutschen NaturFreunde e.V. (NFHW e.V.) bis 2007 widmete. Immerhin waren durch die Insolvenz des Vereins viele der in Sachsen mühsam zurückgewonnen Häuser wieder verloren gegangen. Der Anstoß zu einer Diskussion über Gelungenes und Fehler dieser Zeit erschien allen sehr wichtig. Heute sind die sächsischen Naturfreundehäuser wenn nicht verkauft, dann zumindest verpachtet – mit Ausnahme der Wilthener Hütte. Das zeigt, dass ein Betreiben der Häuser allein im Ehrenamt, wie in den 20er-Jahren üblich, heute kaum noch vorstellbar ist.
Besonderheiten heutiger Naturfreundehäuser in Sachsen
Der Samstagabend war schließlich geprägt von vielen interessanten Gesprächen, die sich der Entwicklung sächsischer Naturfreundehäuser nach 1990 und deren Betrieb widmeten. Wer zurückblickt, sollte auch nach vorn schauen können. Am Sonntag wurde die Zukunft sächsischer Naturfreundehäuser unter die Lupe genommen. Die Vorträge zum Königsteiner Haus, Zirkelsteinhaus und Rauschenbachmühle zeigten deutlich, welche positive Entwicklung die Häuser unter den neuen Eigentümern Heiko Weist, Sascha Martin und Margitta Oelmann genommen haben.
Das Haus in Königstein ist seit 2016 auch wieder offiziell ein Naturfreundehaus. Damit verbunden ist für die NaturFreunde natürlich auch die Aufgabe, das Haus verstärkt für die Aktivitäten der NaturFreunde zu nutzen. Es wurde deutlich, dass alle drei genannten Häuser weiterhin im Sinne der NaturFreunde geführt werden, sie stehen allen Menschen offen und sind weiterhin Orte der Erholung, Begegnung und Bildung.
Auf großes Interesse stießen die Angebote des Naturfreundehauses Grethen, die vor allem auf Schüler- und Ferienfreizeiten sowie Familienurlaube abzielen. Das Haus im Eigentum der Ortsgruppe Leipzig ist an den Betreiberverein „Leipziger Naturfreundehaus Grethen e.V.“ verpachtet und ein gutes Beispiel für ein erfolgreich geführtes Naturfreundehaus.
Sehr bedeutsam für den Landesverband Sachsen ist das Naturfreundehaus „Rote Grube“. Hervorgegangen aus einem Einöd-Bergwerk steht das Haus abgelegen auf eine Waldlichtung im Westerzgebirge. Das Haus ist zwar nur 3,5 Kilometer vom Bahnhof Erlabrunn entfernt, doch wirkt es für viele zu weit entfernt von den Annehmlichkeiten des Alltags, zum Beispiel einer sicheren Internetverbindung.
Die Ruhe und Abgeschiedenheit, die zur Eröffnung 1929 beworben wurde, kann heute Chance und Problem gleichzeitig sein. Wichtig ist deshalb das kontinuierliche Werben für das Haus, vor allem bei den Zielgruppen, die die Vorteile des Hauses schätzen. Neben der Nutzung für Veranstaltungen in der Region bietet sich das Haus auch sehr gut für Seminare an. Auch NaturFreunde sollten es verstärkt in ihre Planungen einbeziehen. Das Haus befindet sich im Eigentum des Landesverbandes und somit trägt natürlich jeder NaturFreund in Sachsen und darüber hinaus zum Erfolg des Hauses bei.
Von Hütte zu Hütte – die alte und neue Idee
Nach zweieinhalb Tagen Geschichtskonferenz war klar, dass viele der ehemaligen Naturfreundehäuser in Sachsen, Böhmen und Schlesien wirklich Geschichte sind. Vergessen dürfen NaturFreunde die Häuser und die vielen Menschen, die zum Entstehen beigetragen haben, aber nie. Auch nicht die Idee, welche die Naturfreunde mit dem dichten Netz an Häusern vor allem im Grenzgebiet ermöglichen wollten, das grenzenlose Wandern von Hütte zu Hütte. Dieser Gedanke wurde zum Ende der Konferenz aufgegriffen, verbunden mit dem Wunsch, ihn zukünftig in die Tat umzusetzen.
Auch wenn nicht mehr jedes Haus existiert, so stellt das Grenzgebiet eine vielfältige Kulturlandschaft dar, die auch heute durch NaturFreunde wiederentdeckt werden kann. Für die Identität der NaturFreunde bleiben die Häuser auch weiterhin bedeutsam, wenn sie verstärkt in die Angebote der Naherholung und des Natursports integriert werden.
Mehr Informationen zur Konferenz:
www.naturfreunde-sachsen.de/naturfreunde-geschichte
Hubert Höfer
NaturFreunde Sachsen