Ein Beschluss des Bundesausschusses der NaturFreunde Deutschlands
Neun Jahre nach der Atomkatastrophe in Fukushima versucht die Atomlobby weltweit eine Renaissance der Atomenergie vorzubereiten. Die Atomenergie wird als Möglichkeit beschrieben, den Klimawandel zu stoppen und eine CO2-freie Welt zu gestalten. Die Atomlobby behauptet, dass Atomenergie kaum CO2 ausstoße und deshalb ein wichtiger Beitrag für den Klimaschutz sei.
In ihrer Argumentation verschweigt die Atomlobby, dass Atomkraftwerke hochradioaktiven Müll produzieren, der hunderttausende von Jahren in Atommülllagern verwahrt werden muss. Nirgends auf der Welt gibt es bisher auch nur ansatzweise Konzepte für eine möglichst sichere Lagerung dieses hochgiftigen Atommülls. Die heute laufenden Atomkraftwerke sind tickende Zeitbomben: Jederzeit kann es zu einem Super-GAU wie in Fukushima oder Tschernobyl kommen.
Deshalb ist für die NaturFreunde klar: Wir sagen Nein zur Atomenergie und werden uns aktiv in der Anti-Atom-Bewegung für eine Beendigung dieser unverantwortlichen Hochrisikotechnologie einsetzen. Gemeinsam mit anderen Initiativen und Organisationen wollen wir die nukleare Kette weltweit brechen, um das atomare Zeitalter Geschichte werden zu lassen! Die sogenannte zivile Nutzung der Atomenergie und die militärische Herstellung von Atombomben sind zwei Seiten einer Medaille. Deutschland muss dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und den EURATOM-Vertrag kündigen.
Es gibt positive Ansätze, aber auch Gefahren: Im Jahr 2018 wurden weltweit etwa 273 Milliarden US-Dollar für den Ausbau der Erneuerbaren Energien ausgegeben, während in neue AKW 33 Milliarden Dollar investiert wurden. Schon heute kostet die Produktion von Wind- und Solarenergie deutlich weniger als die von Atomstrom. Trotzdem versucht die Atomlobby, in einem Zusammenwirken von Militärs und Industrie ihr lukratives Geschäftsfeld Atomenergie zu retten.
Atomenergie – kein Beitrag gegen den zunehmenden Klimawandel
Atomkraftwerke werden keinen Beitrag zur Verhinderung der Klimakatastrophe leisten. Atomenergie ist inflexibel, hochgefährlich und mit einem modernen, ökologischen Stromsystem nicht vereinbar. Weltweit deckt Atomenergie aktuell etwa zehn Prozent des Strombedarfs und lediglich zwei Prozent des Gesamtenergiebedarfes. Trotzdem wird weltweit weiter an der Modernisierung der Atomkraft geforscht. Riesige finanzielle Mittel werden für eine Hochrisikotechnologie gebunden, die keinen Beitrag für ein sicheres und ökologisches Energieversorgungssystem leisten kann.
Mit dem internationalen ITER-Programm und der Forschung an sogenannten Fusionsreaktoren und „Small Modular Reactors“ werden gefährliche Perspektiven für eine Energieerzeugung für die Jahre nach 2050 erforscht. Diese langfristige Forschung bindet riesige Mittel und kann keinen Beitrag zur Verhinderung der Klimakatastrophe in den nächsten Jahrzehnten leisten. Allein für das EURATOM-Programm wurden für den Zeitraum 2014 bis 2018 mehr als 1,6 Milliarden Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt. Für die Jahre 2019/2020 wurden weitere 770 Millionen Euro für EURATOM eingeplant. Zu diesen Beträgen kommen im Zeitraum 2014 bis 2020 weitere 2,9 Milliarden Euro für das Fusionsforschungsprojekt ITER sowie jährlich 25 Millionen Euro Verwaltungsausgaben hinzu. Für die Förderperiode 2021 bis 2027 sollen aus Steuermitteln 2,4 Milliarden Euro für das Forschungsund Ausbildungsprogramm von EURATOM vorgesehen werden. In Zusammenhang mit den „FusionforEnergy“-Aufgaben sollen für den Zeitraum 2021 bis 2027 weitere 6,1 Milliarden Euro für den Weiterbau des ITER-Fusionsreaktors zur Verfügung stehen.
Bis zum Jahr 2050 schätzt die EU-Kommission die nötigen Investitionen im Nuklearbereich auf mindestens 650 Milliarden Euro, davon 250 Milliarden allein für die Entsorgung von Altlasten und die Suche nach atomaren Endlagern. Weiter geht die EU-Kommission davon aus, dass etwa 400 Milliarden Euro für den Bau neuer Atomkraftwerke benötigt würden.
Neue Atomkraftwerke können nur durch riesige staatliche Subventionen betrieben werden. So weist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 2019 darauf hin, dass „Atomkraft niemals auf die kommerzielle Stromerzeugung ausgelegt [war], sondern auf Atomwaffen. Atomstrom war, ist und bleibt unwirtschaftlich.“
Die NaturFreunde lehnen den Betrieb und den Neubau von Atomkraftwerken ab, da
- sie den Ausbau eines zentralistischen Energieerzeugungssystems zementieren und damit die Durchsetzung einer ökologischen, dezentralen Energieerzeugung verhindern;
- Atomkraft und Erneuerbare Energien nicht kompatibel sind. Atomkraftwerke können nicht flexibel auf die Möglichkeiten von erneuerbarer Energie reagieren, da sie nicht kurzfristig hoch- und runterreguliert werden können. Der Strom aus Atomkraftwerken verstropft deshalb die Stromnetze und verhindert so, dass die erzeugte Energie von Windkraftanlagen und Solaranlagen in die Netze eingespeist werden kann;
- Atomstrom keineswegs CO2-neutral ist. Die Treibhausgasemissionen bei der Produktion von Atomstrom entstehen größtenteils bei der vor- und nachgelagerten atomaren Kette. In der gesamten atomaren Kette ist vom Uranabbau über die Brennelementeherstellung, den Kraftwerksbau und -rückbau bis zur Atommülllagerung ein sehr hoher Energieaufwand nötig, bei dem große Mengen an Treibhausgasen emittiert werden;
- mit dem Ausbau von Atomkraftwerken keine soziale und ökologische Energiewende eingeleitet werden kann. Atomenergie ist teuer undbindet wertvolle finanzielle Mittel, die für den sozialen und ökologischen Umbau der Industriegesellschaft dringend benötigt werden. Der Strom von Atomkraftwerken kostet schon heute fast dreimal so viel, wie der Strom aus neuen Wind- und Solaranlagen;
- die Atomenergie keinen sinnvollen Beitrag zur Sicherstellung des weltweiten Energiebedarfes leisten kann. Heute wird durch die Atomenergie etwa zwei Prozent des weltweiten Energiebedarfes gedeckt. Würde es der Atomlobby gelingen, die Atomenergie soweit auszubauen, dass nur fünf Prozent der fossilen Energien durch Atomenergie ersetzt würden, müssten weltweit 1.000 neue Atomkraftwerke gebaut werden. Damit würde die Gefahr der atomaren Aufrüstung durch die Proliferation von hochradioaktivem Material massiv ansteigen, der produzierte Atommüll weiter zunehmen und die Gefahr einer nuklearen Katastrophe weiter steigen;
- der Bau von Atomkraftwerken teuer und langwierig ist. Mit den finanziellen Mitteln für den Bau eines neuen Atomkraftwerkes kann durch den Ausbau von erneuerbaren Energien und Maßnahmen zur Energieeinsparung innerhalb deutlich kürzerer Fristen ein Mehrfaches an CO2 eingespart werden. Atomkraftwerke sind unwirtschaftlich und würden als rein privatwirtschaftliche Investition ohne staatliche Subventionierung im Durchschnitt fünf Milliarden Euro pro Kraftwerk Verluste erwirtschaften.
Die NaturFreunde werden sich den Versuchen der Atomlobby entgegenstellen und sich weiterhin aktiv in der Anti-Atom-Bewegung engagieren. Unser Ziel ist klar: Wir setzen uns für die Abschaltung aller Atomkraftwerke ein. Unser Ziel ist eine atomwaffen- und atomkraftwerksfreie Welt!
Die NaturFreunde fordern die Bundesregierung auf,
- sich für eine Auflösung des EURATOM-Vertrages einzusetzen und keinem neuen Haushalt für die Förderperiode 2021 bis 2025 für die Atomforschung zuzustimmen;
- sich für einen wirklichen Atomausstieg Deutschlands zu engagieren. Dies setzt die sofortige Stilllegung der Brennelemente-Fabrik in Lingen und die Uran-Anreicherungsanlage in Gronau voraus;
- sich aktiv gegen den Neubau von Atomkraftwerken in anderen Staaten der EU einzusetzen und für eine Änderung der Europäischen Verträge einzutreten, in denen die Nutzung der Atomenergie vertraglich untersagt wird;
- sich für einen Umbau der Energieerzeugung in der EU einzusetzen und allen zentralistischen Lösungen zu widersprechen. Hierfür müssen die Mitgliedstaaten gemeinsam für einen konsequenten Umbau der Energiewirtschaft, weg von fossilen und atomaren Brennstoffen in Richtung einer dezentralen erneuerbaren Energieerzeugung, unterstützt werden;
- sich konsequent für die sofortige Schließung der grenznahen und gefährlichen Atomkraftwerke in Belgien, der Schweiz sowie Frankreich und Tschechien einsetzen;
- sich für ein weltweites Verbot von Uranabbau einzusetzen.
Die NaturFreunde werden
- sich weiterhin aktiv an den Protesten der Anti-Atom-Bewegung beteiligen und sich für einen vollständigen Atomausstieg in Deutschland engagieren;
- sich weiterhin aktiv in die europaweite Vernetzung gegen EURATOM einbringen;
- in möglicher Kooperation mit der Naturfreundejugend ein Informationspaket im Rahmen der Umweltdetektive-Arbeit zu den Themenbereichen „Uranabbau“ und „EURATOM“ erarbeiten;
- keine Verträge mit Energieversorgern schließen, die Atomstrom in ihrem Energiemix haben;
- mit Veranstaltungen für den Wechsel zu ökologischen Stromanbietern werben.
Verabschiedet am 30. April 2020 vom Bundesausschuss der NaturFreunde Deutschlands.